Nacht-Mähre
Bogenschützen die Augen und leiteten sie mit Hilfe der Schildspiegelungen an, auf die Gorgone zu schießen. Die ersten Pfeile verfehlten zwar ihr Ziel, doch die Treffgenauigkeit wurde mit der Zeit bedrohlich besser. Die Mundanier mochten zwar keine solch guten Bogenschützen sein wie Zentauren, aber sie waren immer noch gut genug. Die Gorgone mußte ständig von einer Stelle zur anderen huschen, um nicht getroffen zu werden.
»Wir müssen uns neu organisieren«, meinte Imbri. »Du stellst dich am besten hinter Goldys Baum, Gorgone. Dann kann Goldy dich beschützen. Blyght kann ebenfalls viel beisteuern. Ich glaube nicht, daß deine Magie sie beeinflussen wird, da sie bereits aus Metall besteht.«
»Meine Schwester hat mir erzählt, daß Blyght immun gegen den Blick eines Basilisken ist«, erwiderte die Gorgone. »Meine Blicke sind auch nicht schlimmer.«
»Dann steig auf, wir müssen uns beeilen!« Vorsichtig stieg die Gorgone auf Imbris Rücken. Dann galoppierten sie davon, während die Gorgone umherblickte und eine Schar von versteinerten Statuen hinter sich ließ. Viele der Mundanier hatten noch nichts davon gehört, welche Gefahr sie darstellte, und fielen ihrem schnellen Blick zum Opfer.
Eine Zentaurin kam angaloppiert, es war Chem. »Warum singt die Sirene nicht mehr?« rief sie ihnen zu. »Stimmt irgend etwas nicht?«
Imbri sandte ihr hastig einen erklärenden Traum. »Halte dich von den Mundaniern fern«, schloß sie, »die sind immer noch gefährlich.«
»Das sehe ich«, sagte Chem. »Aber eins kann ich tun: Ich kann einen Bogen laufen und meine Freundin die Sirene in Sicherheit bringen.«
»Eine ausgezeichnete Idee«, erwiderte Imbri, und die Zentaurin preschte wieder davon.
Sie stellten sich hinter dem Yptus-Baum auf, wo Blyght Messingmädchen die Gorgone mit ihrem Leib vor Pfeilen und Speeren schützte, während Goldy Kobold mit ihrem Zauberstab jeden Bogenschützen mit den Augenbinden davonschleuderte, deren Zielgenauigkeit zu gut wurde.
So entschieden sie sich für eine Zermürbungstaktik, einem Vernichtungskampf, bei dem sich die Zahl ihrer Gegner zwar ständig verringerte, dafür deren Wachsamkeit jedoch immer mehr wuchs. Die Punier versuchten, die Gorgone mit einer neuen Phalanx auszuschalten; Goldy und Blyght trieben einen Keil dazwischen, so daß einige der Mundanier versehentlich umherblickten – um sofort zu versteinern. Das wiederum behinderte die anderen, die sich plötzlich in einem gewaltigen Durcheinander aus versteinerten und unversteinerten Kameraden wiederfanden. Sie versuchten es mit einem riesigen Baumstamm als Rammbock, doch Imbri schickte ihnen ein Traumbild, in dem das Ziel seitlich versetzt war. Die Punier zielten darauf und jagten harmlos an ihnen vorbei. Als sie schließlich stehenblieben und sich verblüfft umschauten, ließ die Gorgone sie alle mit einem einzigen Blick zu Stein werden. Andere versuchten ihr Glück, indem sie die versteinerten Körper ihrer Kameraden als Deckung benutzten, doch die Statuen erwiesen sich als zu sperrig und unbeweglich, während Goldys Zauberstab sie mühelos beseitigte.
Trotz ihres Rückschlags durch den Verlust der Sirene konnten die Frauen nun doch noch eine Menge Erfolge verbuchen. Die Zahl der Mundanier hatte sich inzwischen auf etwa fünfzig reduziert, und der Anblick ihrer versteinerten Kameraden beeinträchtigte ihre Kampfmoral. Bald würden sie nicht mehr genügend Leute haben, um das pflanzenbewehrte Schloß zu stürmen und ihren Anführer zu befreien. Der Tag ging seinem Ende zu, und wenn erst einmal die Nacht einbrach, würde Imbris Kraft sich vergrößern, denn dann war sie unverwundbar. So jedoch war es nur ihrer ständigen Wachsamkeit, der Nähe der Gorgone und dem Unwissen der Mundanier über ihre wirkliche Rolle zuzuschreiben, daß sie nicht verwundet wurde.
Da merkte Imbri plötzlich, daß schon eine ganze Weile keine Mundanier mehr aus den feindlichen Reihen emporgehoben worden waren. »Bist du in Ordnung, Goldy?« schickte sie einen kleinen Traum zu den hochgelegenen Ästen des Baumes empor.
Doch sie traf nur auf Leere – das Koboldmädchen war verzaubert worden! Der Pferdmensch hatte sie offensichtlich erspäht, sich auf Langstreckenwirkung konzentriert und sie schließlich ausgeschaltet. Bestimmt war es nicht leicht für ihn, auf solche Entfernungen sein Opfer zu erreichen, doch es blieb ihm ja andererseits auch nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Vielleicht hatte er sein Opfer hundertmal verfehlt, um es
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