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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Dann mußt du Goldy Kobold aus dem Yptus-Baum holen und dort unterbringen, wo wir auch die Gorgone versteckt haben.«
    »In Ordnung, ich passe auf die beiden auf.«
    Die Mundanier wälzten kleine Felsbrocken in den Graben und füllten ihn an einer Stelle auf, um auf diese Weise eine primitive Furt zu erhalten. In die Ritzen schaufelten sie Sand und Erde. Die Pflanzen und Grabenungeheuer waren nicht gewitzt genug, um zu merken, was die Soldaten vorhatten, weshalb sie auch keinen unmittelbaren Widerstand leisteten. Sie versuchten zwar, sich einige der Männer als Leckerbissen zu schnappen, ließen die Furt aber in Ruhe. Nach und nach wurde der Übergang fertiggestellt, so daß die Mundanier bis zu der Schloßmauer vorstoßen konnten, während sie die Tentakel abwehrten.
    Nun schleppten die Punier ihr eingesammeltes Holz herbei und schichteten es an der Mauer auf. Doch die Schlingpflanzen grabschten nach den Zweigen und Scheiten und schleuderten sie zurück, weil sie darin nützliche Geschosse sahen.
    »Ach, manchmal könnte ich solche Pflanzen richtig lieben!« meinte Imbri bewundernd.
    Doch das konnte die Nächstweller auch nicht lange aufhalten: Sie entfachten ihr Feuer an der Mauer und zogen dann brennende Scheite hervor, die sie auf die Pflanzen schleuderten. Diese warfen sie erneut zurück, versengten sich dabei jedoch an einigen Stellen. Es war eindeutig, daß die Mundanier früher oder später einen Mauerabschnitt von Pflanzen würden säubern können. An das Haupttor trauten sie sich zwar nicht mehr, weil dort gleich zwei schlechtgelaunte Gewirrbäume aufpaßten, aber hier an der Seite war die Mauer nicht ganz so gut bewacht.
    Natürlich befand sich hinter all den Gewächsen immer noch die Mauer selbst, und die war äußerst massiv. Sie würden erst eine Bresche hineinrammen müssen, was einige Zeit dauern würde. Imbri schätzte, daß sie wohl etwa eine Stunde Zeit hatte, um den Pferdmenschen zu erledigen, bevor die Mundanier in das Schloß eindrangen. Doch sie konnte sich dessen nicht wirklich sicher sein, denn die Punier hatten sie schon öfter mit ihrer gerissenen Schläue überrascht. Aber diese Soldaten mußten inzwischen zwei Tage und eine Nacht in Aktion gewesen sein, ohne sich auszuruhen; irgendwann mußten ihre Kräfte einfach nachlassen.
    Es wurde dunkel. »An die Arbeit, Blyght«, sendete Imbri und entmaterialisierte.
    »Viel Glück!« rief das Messingmädchen ihr nach.
    Imbri wollte wiehernd antworten – und merkte, daß sie immer noch die Pandorabüchse im Maul trug. Sie war so sehr abgelenkt gewesen, daß sie über den ganzen Ereignissen gar nicht bemerkt hatte, wie die Büchse ihr Maul aufgesperrt hatte. Nun, sie würde sie wohl noch eine Weile mit sich herumtragen müssen, da sie noch immer nicht wußte, was die Büchse enthielt.
    Es mußte jedenfalls etwas Wichtiges sein, davon war sie überzeugt. Hatte Humfrey schließlich nicht gesagt, daß dies seine Geheimwaffe sei, stärker als alles andere? Er hatte befürchtet, daß das Mädchen Pandora sie vorzeitig hervorholen würde, weshalb er die Büchse auch selbst behalten hatte.
    Wenn Imbri sie selbst öffnen sollte, konnte das vielleicht ihr Verderben sein, ganz wie bei den Mundaniern, die die andere Schachtel geöffnet hatten. Was sollte sie tun? Das war wirklich eine schwierige Frage.
    Imbri argwöhnte, daß sie das Glück, welches Blyght ihr gewünscht hatte, auch wirklich brauchen würde. Nun hing alles von ihr ab. Wenn sie nicht mehr aus noch ein wissen sollte, konnte sie die Büchse immer noch auf Verdacht öffnen. Doch das würde sie erst tun, wenn sie wirklich nichts mehr zu verlieren hatte.
    Das Schloß kam immer näher. Sie hatte sich noch gar nicht auf die bevorstehende Auseinandersetzung einstellen können. Nun, da sie in unsichtbarer Gestalt darauf zugaloppierte, der Schlußentscheidung entgegen, die grimmig abweisenden Mauern vor sich, die auf einer Seite von dem lodernden Brand der Mundanier beleuchtet wurde, erkannte sie, woran das gelegen hatte:
    Das Tagpferd war schuld.
    Sie hatte den Schimmel für ihren Freund gehalten. Doch nun wußte sie, daß dem nicht so war. Er hatte sie von Anfang an betrogen und getäuscht, war vor ihr geflohen, weil er befürchtet hatte, daß sie seine Gedanken lesen könnte, hatte in seiner Menschengestalt mehr über sie in Erfahrung gebracht, um dann in Pferdegestalt zurückzukehren und sie sich durch seine Fluchthilfe zu verpflichten. Welch eine zynische Taktik, ihre Zuneigung zu gewinnen!

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