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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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frei zu sprechen. Natürlich besaßen Pferde eine eigene Sprache, aber ein zu lautes Wiehern könnte den Knecht wecken.
    »Ich – verstecken«, erwiderte das Tagpferd, indem es sich langsam an diese Art der Verständigung gewöhnte. Der Schimmel trat vor und streckte den Kopf über den Zaun, der im Feuerlicht hell leuchtete.
    »Na, dann versteck dich lieber sofort, denn wenn der Knecht wach werden sollte…«
    »Du – mich grüßen«, sagte er etwas unbeholfen im Traum. »Ich laufen. Du – gefangen von Mann. Meine Schuld. Ich gekommen – will dich befreien.«
    Imbri war beeindruckt und gerührt. Sie hatte ihn im Traum als weißen Zentauren dargestellt, und diese Gestalt schien ihm zu gefallen. Sie hatte dafür Sorge getragen, daß es ein sehr muskulöser und attraktiver Zentaur war, denn sie wußte, daß männliche Wesen recht eitel waren, was ihr Äußeres betraf. Alle männlichen Wesen aller Arten und Rassen waren in mancherlei Hinsicht die reinsten Narren. Doch wo wäre Xanth ohne sie?
    »Ich kann nicht von hier weg, solange das Feuer brennt«, sagte ihr Traumstutenbild. »Ich hatte gehofft, daß vielleicht ein Gewitter…«
    »Gewitter?«
    »Wasser, um das Feuer zu löschen«, erklärte sie. Tatsächlich – er gehörte zum kräftigen, gutaussehenden, freundlichen, dummen Typ. Glücklicherweise brauchten Hengste nicht besonders viel Intelligenz; sie waren auch so attraktiv genug.
    »Feuer löschen!« sagte er, nachdem er begriffen hatte. »Wasser machen.« Er sprang über den Zaun und landete mit einer solchen Wucht, daß Imbri dem schlafenden Knecht auf der Stelle einen Erdbebentraum senden mußte, damit er nicht aufwachte. Natürlich war er beunruhigt, doch dann veränderte sie den Traum, um ihm zu zeigen, daß das Erdbeben nur kurz und schwach gewesen war und daß sich der Boden vor ihm aufgetan hatte, um eine Schatztruhe zu offenbaren, die mit allem gefüllt war, was er sich am meisten wünschte. Der Knecht öffnete die Schatztruhe sofort, und eine hübsche nackte Nymphe sprang hervor. Jetzt würde er noch eine ganze Weile weiterschlafen.
    Das Tagpferd schritt zu den brennenden Scheiten hinüber, drehte sich zur Seite und ließ einen Strahl auf die Flammen spritzen. Dampfende Rauchwolken stiegen empor, während das Feuer wütend dazu zischelte. Diese Behandlung sagte ihm gar nicht zu!
    Trotz seines Traumes machte dieses neue Geräusch den Knecht wieder unruhig. Er fing an aufzuwachen. Diesmal sandte Imbri ihm einen bösen Traum, in dem eine pferdegroße, schwach als Basiliskengestalt auszumachende Figur sich eben umdrehte, um den Mann anzustarren. Der Mundanier kniff sofort die Augen zusammen, denn er wußte, was passierte, wenn man mit so einem Vieh Blicke wechselte! Er wollte lieber nicht aufwachen, um das Ungeheuer zu sehen. Imbri ließ ihn wieder davontreiben, zurück zu seiner Schatztruhennymphe. Sie war genauso erleichtert wie er, als er endlich weiterschlief.
    Einen Augenblick später hatte das Feuer schon erheblich an Intensität eingebüßt, so daß die ersten Schatten nach Imbri greifen konnten. Sie entmaterialisierte sich und sprang aus ihren Fesseln und schließlich durch den Zaun des Geheges. Der Hengst folgte ihr.
    Gemeinsam liefen sie durch den Wald. »Komm mit mir zum Schloß Roogna!« sandte Imbri ihm ihren Vorschlag und ließ dabei ihr Stutenbild freundlich lächeln und mit dem schwarzen Schweif wedeln.
    Doch der Hengst zögerte. Das attraktive Zentaurenbild furchte die Stirn. »Nacht… ermüde schnell… bin Tagtier… muß aufgeben.« Er stolperte. »Nachts schlafe ich.«
    Das sah sie auch. »Dann verstecken wir uns, damit du dich ausruhen kannst«, schlug sie vor.
    »Geh du. Bin nur gekommen, um dich zu befreien«, sagte er in einer nun schon etwas klareren Sprache. Er mochte zwar nur eine sehr langsame Auffassungsgabe besitzen, aber mit der Übung wurde es schon besser. »Schöne Mähre, schwarz wie die tiefste Nacht!«
    Imbri fühlte sich geschmeichelt, obwohl er ja nur die Wahrheit gesagt hatte. Sie war wirklich schwarz wie die Nacht, weil sie schließlich eine Nachtmähre war. Doch jede Aufmerksamkeit, die ein Hengst einem schenkte, war etwas Wertvolles.
    Dennoch hatte sie ihre Mission zu erfüllen, und zwar ohne jede Verzögerung. »Wann sehen wir uns wieder?«
    »Komm gegen Mittag zum Baobab«, sagte er. »Netter Baum. Wenn ich in der Nähe bin, werde ich dort sein. Verrate mich nicht an die Menschen; ich will nicht wieder eingefangen und geritten werden!«
    »Ich werde dich

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