Nacht-Mähre
hätte ich es niemals zugelassen, daß du mir diese Trense ins Maul schiebst.«
»Woher wißt ihr dann von mir?«
»Der Nachthengst hat eine Forschungsabteilung, damit er weiß, wohin er die Alpträume lenken soll. Aber zu wachen Leuten ist der Kontakt sehr schwach, wie überhaupt zwischen der Nacht- und der Tagwelt.«
»Aha, verstehe. Viele Geheimnisse ruhen im Schoß der Nacht! Aber da ist doch noch dieser Gute Magier, der auch sehr viel weiß. Warum hat der denn Xanth nicht vor mir gewarnt?«
»Der Magier Humfrey gibt seine Informationen nur gegen einen Jahresdienst des Fragenden her«, sagte Imbri. »Dem stellt niemand Fragen, wenn es sich irgendwie vermeiden läßt.«
»Aha! Eifersüchtig gehütete Einflußmöglichkeiten!« sagte der Reiter, dem diese Information zu gefallen schien. »Oder aber das Kommerzmotiv. Tatsächlich muß also jemand, der die Wahrheit über Xanth in Erfahrung bringen will, entweder einen exorbitanten Preis zahlen oder durch das Guckloch eines Kürbisses spähen – worauf er gefangen ist und sich aus freien Anstrengungen nicht mehr befreien kann. Eine höchst interessante Situation. Die Leute hängen also so gut wie völlig von ihrem König ab, was Informationen und Führung angeht. Wenn König Trent also etwas zustoßen sollte…« Er hielt einen Augenblick inne. »Und sein Nachfolger, dieser Prinz Dor, ist der kompetent?«
»Über den weiß ich nur, was ich in den Träumen der Leute aufgeschnappt habe«, meinte Imbri zögernd.
»Gewiß. Und ihre Träume spiegeln ihre tiefsitzendsten Sorgen wider. Also, was ist nun mit Prinz Dor?«
»Der hat kaum Erfahrung«, projizierte sie unwillig. »Als er noch ein Halbwüchsiger war, vor ungefähr acht Jahren, da ist König Trent in Urlaub gegangen und hat Dor zurückgelassen und ihm seine Amtsgeschäfte übertragen. Zuerst mußte er seine Freunde zu Hilfe bitten, und schließlich mußte der Zombiemeister die Sache in die Hand nehmen, bis König Trent schließlich zurückgekehrt war. Damals gab es einen Haufen Alpträume abzuliefern, wir haben uns fast unsere Hufe stumpf gerannt. Das war keine schöne Zeit für Xanth.«
»Also hat sich Prinz Dor nicht gerade durch besondere Kompetenz einen Namen gemacht«, sagte der Reitersmann. »Und der nächste in der Nachfolge ist der Zombiemeister, unter dessen Herrschaft sich die Leute auch nicht gerade wohl fühlen. Es gibt also tatsächlich keinen geeigneten Nachfolger für König Trent.« Stumm und nachdenklich ritt er weiter.
Schließlich erreichten sie das Lager des Reitersmannes. Dort befanden sich zwei mundanisch aussehende Männer. »Hab’ mir ein Pferd gefangen«, rief der Reitersmann ihnen fröhlich zu.
»Wo ist denn das andere?« fragte einer der Männer.
»Davongelaufen. Aber den hole ich mir morgen schon wieder. Dieses Tier ist besser. Ist eine umgewandelte Nachtmähre.«
»Na klar«, brummte der Mundanier zweifelnd und beäugte Imbri. Anscheinend hielt er den Hinweis auf die Nachtmähre für einen Witz. Mundanier konnten wirklich außerordentlich blöd sein, wenn es um Magie ging.
»Ohne den Schimmel bist du besser dran«, meinte der andere Mundanier. »Soviel du ihn auch reiten und füttern magst – wenn man ihn mal braucht, ist er nie da.«
»Ach, der hat eben Temperament, das ist alles«, meinte der Reitersmann mit einer toleranten Geste. »Ich mag Tiere mit Temperament. Und jetzt legt dieser Mähre hier Fesseln an die Vorderbeine. Sie ist noch nicht gezähmt.«
Einer der Knechte kam mit einem Seil auf sie zu. Imbri wich nervös zurück, doch da bedrohte der Reitersmann sie auch schon wieder mit seinen Sporen, und sie mußte reglos stehenbleiben. Der Knecht befestigte das Seil an ihren beiden Vorderbeinen und verzurrte es so kurz, daß sie kaum Bewegungsspielraum hatte. Sie konnte stehen oder ganz vorsichtig gehen, aber nicht mehr laufen. Was für eine demütigende Situation!
Sie führten sie in ein kahles Gehege, in dem ein schmieriger Eimer Wasser stand. Sie warfen ihr etwas halbtrockenes Heu vor die Hufe. Das Zeug war zwar faulig, aber sie war inzwischen so hungrig, daß sie es einfach fressen mußte, auch wenn sie befürchtete, davon eine Kolik zu bekommen. Kein Wunder, daß das Tagpferd geflohen war!
Den ganzen Tag über blieb sie eingesperrt, während die Mundanier anderswo ihren primitiven Aufgaben nachgingen. Imbri soff das schlechte Wasser, fraß das miserable Heu auf und schlief nach Pferdeart im Stehen, wobei sie mit dem Schweif ständig die lästigen
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