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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie vorbei dürfen, nur weil sie vielleicht ein bestimmtes Wort wußten, wenn man ihre Vorzüge doch auch anders wahrnehmen konnte? Das leuchtete ihr nicht ein.
    Imbri versuchte ein Wort aus einem Traum zu ziehen, doch der Nöck war dazu zu gerissen. Träume dienten der Verständigung und häufig der Erzeugung tiefer Gefühle, aber sie waren nicht für Gedankenleserei gedacht.
    »Wir müssen einfach auf die andere Seite, trotz des Nöcks«, projizierte Imbri Chamäleon ihren Entschluß. Immerhin trug der Nöck keine Waffen und wirkte weder in Menschen- noch in Fischgestalt besonders imposant oder bedrohlich. Außerdem hatten sie das Recht zur Überquerung, denn sie befanden sich im Auftrag des Königs hier.
    »Ja, das müssen wir«, stimmte Chamäleon ihr zu. Sie hob ihren Rocksaum, damit ihr Kleid nicht naß wurde, doch es war ziemlich wahrscheinlich, daß Imbri so tief einsinken würde, daß das Wasser die Beine der Frau ohnehin bis zu den Oberschenkeln benetzen würde. Es waren ausgezeichnete Beine, wenn man ihr Alter bedachte. Vielleicht sogar auch, wenn man ihr Alter nicht bedachte… Wasser würde ihnen kaum etwas anhaben können.
    Das entging auch dem Nöck nicht. Er stieß einen lüsternen Pfiff aus.
    »Schau sich mal einer diese Schinken an!« rief er.
    »Ignorier ihn einfach«, sagte Imbri im Traumbild, denn sie bemerkte, wie das Traummädchen Chamäleon errötete. Anscheinend war Chamäleon trotz fünfundzwanzig Jahren Ehe immer noch im Prinzip unschuldig geblieben. Das erklärte vielleicht auch die Unschuld ihres Sohnes. Imbri stellte fest, daß sie die Frau immer mehr mochte und ihr gegenüber einen Schutzinstinkt entwickelte. Chamäleon wirkte sowohl emotional als auch körperlich anziehend – fast zu nett, um wahr zu sein.
    Sie begaben sich ins Wasser. »Nix da! Nix da!« rief der Nöck. »Ohne Paßwort kommt ihr hier nicht vorbei! Ich friere eure Spuren ein!« Er zeigte auf das Wasser – das sofort um Imbris Beine gefror.
    Imbri mußte anhalten. Sie stand bis an die Knie im Eis! Der Nöck hatte also durchaus die Möglichkeit, sie aufzuhalten!
    »Na, was hältst du davon, Klepper?« fragte der Nöck voll beleidigender Genugtuung. Er hatte wieder seine Fischgestalt angenommen. »Kein Paßwort, kein Passieren. Ich hab’s euch ja gesagt! Habt ihr etwa geglaubt, die Regel sei passé?«
    Chamäleon zappelte hilflos umher, aber Imbri riß mühsam einen Huf nach dem anderen aus seiner Verankerung. Splitternd brach das Eis, und schon bald stand sie auf der gefrorenen Oberfläche und machte sich erneut auf den Weg.
    »Nix da! Nix da!« rief der Nöck, der wieder Menschengestalt angenommen hatte, und zeigte mit einem flossenartigen Arm auf das Eis. Das schmolz sofort, und mit einem Platschen stürzte Imbri in tieferes Wasser. Der Nöck kicherte.
    Na gut, dann würde sie eben weiterwaten. Auf die eine oder andere Weise würde sie den Graben schon durchqueren.
    Der Nöck ließ das Wasser wieder gefrieren – und wieder riß Imbri sich aus dem Eis und kämpfte sich auf die Oberfläche. Er ließ es schmelzen, was sie wieder in die Tiefe absacken ließ. Das war zwar alles sehr mühsam, doch langsam machten sie Fortschritte. Der Nöck konnte sie nicht wirklich aufhalten.
    Da erreichte sie das tiefere Wasser und mußte schwimmen. Es reichte ihr fast bis zum oberen Rücken, und Chamäleon hob ihr Kleid bis über ihre Hüften empor. »Oh, das kitzelt aber!« protestierte sie.
    Der Nöck blickte sie hämisch an und glich inzwischen schon eher einem Satyr. »Wo kitzelt’s dich, Miezchen? Ich werd’ dir gleich ein paar hübsche Kitzelpartien zeigen, wenn es das ist, was du gerne möchtest.« Das bewirkte nur, daß das Traummädchen wieder schrecklich rot wurde. Aber Chamäleon wollte es nicht zulassen, daß ihr Kleid naß wurde.
    »He, wußte gar nicht, daß eine Puppe so tief nach unten erröten kann«, bemerkte der Nöck mit bösartiger Häme.
    Imbri spritzte mit der Nase etwas Wasser nach ihm, schwamm aber weiter. Wenn der Nöck sich lange genug von der Frau und ihrer Verlegenheit ablenken ließ, würde sie es auf die andere Seite schaffen. Dann wäre er an der Reihe, verlegen zu werden. Verdient hatte er es jedenfalls.
    Doch der Nöck war leider nicht so dumm. »Nix da, nix da!« rief er und zeigte wieder auf das Wasser.
    Diesmal gefror das Wasser nur zum Teil, Imbri konnte sich weiterhin einen Weg bahnen. Anscheinend war die Wassermasse so groß, daß der Effekt verwässert wurde.
    »Na ja, dann eben nox!« schrie

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