Nacht-Mähre
Mundanier bekommt eine solche Gelegenheit geboten. Wenn ich mich meinerseits irgendwie erkenntlich zeigen kann…«
»Sag mir nur, wer alles hier ist und wie die Zeremonie vonstatten gehen soll. Ich war noch nie bei einer Bräutigamsentführung dabei.«
»Mit Vergnügen, wiewohl mein Verständnis des Ganzen alles andere als vollkommen sein dürfte. Offenbar sollen Prinz Dor und Prinzessin Irene – ihre Titel gleichen sich zwar, leiten sich aber von unterschiedlichen Funktionen ab, da er der designierte Thronerbe, sie hingegen lediglich die Tochter des Königs ist –, die ich beide vor acht Jahren in Mundania kennengelernt habe, nun endlich die Freuden der Ehe genießen dürfen oder zumindest eines praktikablen Faksimiles dieser Institution.«
Imbri stellte fest, daß Mundanier sich komplizierter auszudrücken pflegten, als wirkliche Leute es taten. Sie spitzte höflich ein Ohr und versuchte aus dem anstrengenden Kauderwelsch einen Sinn herauszuhören.
»Doch er ist sich dieser Tatsache anscheinend noch nicht bewußt, während sie angeblich nichts davon weiß, daß so gut wie alle anderen auf Schloß Roogna Ansässigen oder mit ihm im Zusammenhang Stehenden davon erfahren haben. Es sollte eigentlich eine unbürgerliche Zeremonie der Heimlichkeit sein, die mitten in der Nacht von einem Toten, will also sagen einem Zombie, durchgeführt wird. Hochinteressante Geschöpfe übrigens, diese Zombies, aber das nur am Rande. Königin Iris hat alle Besucher in Illusionen gehüllt, was sie anscheinend verblüffend gut kann, damit auch sie wie Zombies aussehen, und dann hat sie sie unter die Zombies gemischt, so daß nicht jeder, der mit dieser List vertraut ist, sie sofort durchschauen dürfte. Ach, welch verworren Netz wir spinnen, wenn zu betrügen wir beginnen! Das ist ein mundanisches Zitat aus…«
Er brach ab, denn nun begann sich im Süden etwas zu bewegen. Das wurde auch langsam Zeit, denn Imbri war bereits wieder im Begriff gewesen, sich zu langweilen. Alles verstummte.
Im fahlen Mondlicht sah man eine junge Frau mit üppigen Proportionen, die durch die Abgrenzung des Schloßobstgartens trat und dabei einen gutaussehenden jungen Mann hinter sich her zog. »Wir müssen nur noch über den Zombiefriedhof«, sagte sie gerade. »Wir sind fast da.«
»Fast wo?« fragte er gereizt. »Du machst aber vielleicht eine Geheimaffäre daraus, Irene! Ich bin schrecklich müde; ich bin gerade von der Zentaureninsel zurückgekehrt, wo ich keinen allzu großen Eindruck machen konnte; ich habe mich mit König Trent über die Nächstwelleninvasion beraten und wie wir sie am besten aufhalten. Und jetzt möchte ich eigentlich nur noch nach Hause, ins Bett und schlafen.«
»Du wirst schon sehr bald sehr gut schlafen, das verspreche ich dir«, erwiderte Irene. »Wie noch nie.«
Ein Stein begann zu kichern. »Das wird aber eine ganze Weile dauern, bis du zum Schlafen kommst, Tölpel!« sagte er.
»Halt dein Maul!« fauchte Irene den Stein an. Dann, zu Dor gewandt: »Komm, wir sind fast da.«
»Fast wo?«
»Trau ihr nicht!« sagte der Boden. »Das ist eine Falle!«
Irene stampfte hart mit dem Fuß auf. »Auuuuu!« stöhnte der Boden schmerzerfüllt.
»Ich wünschte, du würdest mir einfach mal verraten, was dich eigentlich so aufgeregt macht«, warf Dor ein. »Mich hier ohne jeden Grund hinauszuzerren…«
»Ohne Grund? Hahaha!« gluckste ein Stück Totholz. Irene schleuderte es mit einem Tritt in den Schloßgraben, wo ein kurzes, heftiges Platschen erklang, als eines der Ungeheuer das Holz aufschnappte.
»Ich nehme an, du hast ein Recht darauf, es zu erfahren«, sagte sie, als sie den Friedhof betraten. Dank der Illusion der Königin waren die Hochzeitsgäste plötzlich alle unsichtbar geworden. »Es ist eine Entführung.«
»Eine was?«
»Eine Bräutigamsentführung, du Idiot!« keckerte ein Grabstein. »Nimm die Hacken in die Hand und lauf, was du nur kannst!«
Irene schlug dem Grabstein mit dem Knöchel auf den Kopf, und er verstummte. Sie schien eine Menge Erfahrung im Umgang mit sprechenden Dingen zu haben. »Wir fliehen«, sagte sie klar und deutlich. »Ich habe dich entführt, damit wir heimlich heiraten können. Dann bekommst du wenigstens auch etwas Nettes in dein Bett.«
»Etwas Nettes?« fragte Dor verwundert. »Soll das heißen, daß du mir ein Kopfkissen schenkst?«
Diesmal war Dor es, den sie trat, während der ganze Friedhof böse prustete und kicherte. »Mich, du Blödian! Hör auf, mich an der Nase
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