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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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und ähnliche Bedrohungen abzuwehren. Nun hieben sie damit auf die durch die Luft sausenden Schlangen ein, die sie mit aufgesperrten Mäulern angriffen. Die Schlangen waren zwar nicht besonders groß, aber manche von ihnen konnten giftig sein, wie Grundy berichtet hatte. Imbri wich ihnen so gut aus, wie sie nur konnte, was ihr bei einer grünen und roten Luftschlange auch gelang, nicht jedoch bei einer gelben, die sich bis zu der Mähre durchkämpfte und sie ins Knie biß. Sie neigte den Kopf vor und riß die Schlange mit den Zähnen ab, doch der Biß tat sehr weh. Mit so etwas hatte sie sich als richtige Nachtmähre nicht abzugeben brauchen!
    Einige Augenblicke herzhaften Galopps brachten sie bald aus der Reichweite der Schlangen, die nicht sonderlich schnell fliegen konnten. Dann machten sie sich wieder an den Aufstieg.
    »Seltsam, daß sowohl der Nachthengst als auch der Gute Magier dieselbe Warnung ausgesprochen haben«, meinte Ichabod. Es gehörte zu seinen lästigen Angewohnheiten, laut vor sich hin zu denken. Er sprach ziemlich viel über abstruse Aspekte bestimmter Situationen und auch mit Vorliebe über langweilige Leute. »Da der Reitersmann offensichtlich ein Feind ist und möglicherweise sogar ein Anführer der eindringenden Mundanier, sollten treue Bürger Xanths ihn ohnehin meiden. Warum also eine Prophezeiung auf das Offensichtliche verschwenden?«
    »Na, ich bin ihm jedenfalls trotzdem zwischen die Finger gekommen«, gestand Imbri. »Ich habe die Warnung ja selbst überbracht, und doch habe ich den Reitersmann nicht erkannt, als ich ihm begegnet bin.«
    Mit einer letzten Anstrengung bezwangen sie schließlich den Berg. Nun sahen sie unter sich das Land Xanth, das sich wie eine ausreichende, wenn auch vielleicht nicht allzu prunkvolle Rüstung ausbreitete, wie die Kleidung eines ungepflegten Riesen. Weit im Süden war die Ritze der Spaltenschlucht noch gerade auszumachen, während im Westen eine dünne Rauchfahne von den Herdfeuern des Norddorfs aufstieg; im Norden…
    »Ein See!« rief Ichabod erfreut. »Von sattem Grün umgeben, was mit Sicherheit darauf hinweisen dürfte, daß es dort geeignete Nahrung sowohl für Pferde als auch für Nichtpferde geben dürfte. Dort werden wir unser Nachtlager aufschlagen!«
    So schien es. »Aber dazwischen liegt eine Unmenge verwirrender Bodenwellen und -riffeln«, warnte Grundy.
    »Ich kann trotzdem in gerader Linie traben«, meinte Imbri. »Ich bin es gewohnt, unabhängig von den Sichtverhältnissen einen geraden Kurs zu halten, sofern ich nur weiß, wohin es geht.«
    »Na gut«, brummte der Golem.
    Imbri führte sie an und machte sich an den Abstieg – als sie plötzlich stolperte. Sie stürzte kopfunter den Abhang hinunter, und Grundy und Chamäleon wurden abgeworfen. Hilflos rollten sie in die Tiefe, bis sie sich in einer Senke am Fuße des Hügels wiederfanden.
    Grundy rappelte sich auf und klopfte sich roten Staub und Grasstücke vom Leib. »Was ist denn passiert, Pferdeschnauze?« fragte er knurrig. »Voll reingetappt?«
    »Mein Knie hat nachgegeben«, projizierte Imbri peinlich berührt. »Das ist mir noch nie passiert.«
    Chamäleon richtete sich auf. Selbst schmutzig und zerzaust sah sie noch wunderschön aus. Es stimmte nicht unbedingt, daß Frauen mit wachsendem Alter häßlich wurden; sie war die beeindruckende Ausnahme.
    »Ist es verletzt?« fragte sie.
    Imbri rollte herum, stellte die Vorderhufe auf und wollte sich nach Pferdeart mit dem Vorderteil zuerst aufrichten. Doch sie sackte sofort wieder zusammen. Ihr Kniegelenk wollte ihr Gewicht nicht mehr tragen.
    Chamäleon musterte das Knie, als würde sie die Schramme eines Kindes begutachten. Sie war nicht besonders klug, aber was hier gefordert war, das war weniger Intelligenz als mütterliche Besorgtheit. »Du bist gebissen worden!« rief sie. »Es ist ja ganz geschwollen.«
    Da kam das Tagpferd an. Vorsichtig war es den Hang hinabgestiegen.
    »Gebissen?« wieherte es.
    »Dann waren diese Schlangen also doch giftig!« sagte Grundy. »Warum hast du uns nicht gesagt, daß dich eine von denen erwischt hat? Wir hätten sie gefangennehmen und verhören können, um ein Gegenmittel zu erfahren.«
    »Pferde klagen nicht«, meinte Imbri. Sie war noch nie zuvor gebissen worden und hatte die Folgen nicht richtig eingeschätzt.
    »Dann trage ich alle anderen«, schlug das Tagpferd vor. »Das schaffe ich schon.«
    Nach kurzer Beratschlagung willigten sie ein. Der Hengst war zwar müde und verschwitzt, aber

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