Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
oder sogar überhaupt nicht taten. Das mochte wohl auch erklären, warum Pferde soviel kräftiger und schöner waren als Menschen. Andererseits waren die Menschen in der Regel dafür intelligenter, wahrscheinlich weil ein Mann schon ziemlich gerissen und klug sein mußte, um eine schwierige Frau auszutricksen und einzufangen, oder weil es einer klugen Frau bedurfte, sich den besten Mann auszusuchen, um ihm die Last einer Familie aufzubürden. Das hatte die mitternächtliche Szene auf dem Friedhof deutlich gezeigt! Prinz Dor hatte sich mit Sicherheit nur deshalb so unschuldig gestellt, damit er nicht zu heiraten brauchte, doch diesmal war er ausmanövriert worden. Und wenn es Imbri nicht gelang, ihr eigenes Paarungsverhalten unter Kontrolle zu bringen, dann würde sie ein dummes Fohlen bekommen. Zum Glück war es erst in ein paar Wochen soweit, so daß sie noch etwas Zeit hatte.
    Schon bald erreichten sie die große Spalte, die das nördliche vom südlichen Xanth trennte und umgekehrt. Nur wenige Bewohner Xanths wußten von ihr, weil auf ihr ein Vergessenszauber ruhte; nicht einmal auf Karten von Xanth war sie oft zu finden. Da sie jedoch im Auftrag des Königs unterwegs waren, hatten sie Zugang zu der unsichtbaren Brücke, die über die Spalte führte.
    Die meisten Leute vergaßen die Brücke gleich zusammen mit der Spalte, doch wer sie zu finden wußte, der konnte sie auch benutzen. Als Nachtmähre spürte Imbri natürlich nur wenig von dem Vergessenszauber, deshalb hatte sie auch keine Schwierigkeiten mit der Orientierung.
    Nur das Tagpferd zögerte. »Ich kann keine Brücke sehen«, wieherte es.
    »Die kann keiner sehen«, projizierte Imbri.
    »Ist schon in Ordnung, Tagpferd«, meinte Ichabod beruhigend. »Ich bin schon oft über diese Brücke geschritten. Ich weiß ja, daß sich die Magie für Mundanier wie dich und mich völlig unglaublich anhört, aber hier in Xanth ist sie so verläßlich wie die Technik in unserer Welt. Ich fürchte mich nicht vor einer Überquerung.«
    Dadurch ermutigt und mittlerweile sehr wohl wissend, daß Ichabod ein zwar harmloser, aber alles andere als dummer Mundanier war, wagte das Tagpferd, Imbri in das scheinbare Nichts über der Spalte zu folgen. »Keine Bange!« rief Grundy ihm zu. »Du kannst überhaupt nicht abstürzen. Die Brücke hat auf beiden Seiten ein Geländer. Außer in der Mitte, wo irgend so eine blöde Harpyie es im Flug weggefetzt hat.«
    Entsetzt kam der Hengst stolpernd zum Stehen, denn er hatte sich gerade dem mittleren Brückenabschnitt genähert. Der Golem lachte.
    »Ach, das stimmt überhaupt nicht!« projizierte Imbri sofort. »Hör nicht auf den Golem, der hat wirklich einen widerwärtigen Humor!«
    Das Tagpferd gewann sein Gleichgewicht wieder und funkelte Grundy mit böse glitzernden Augen und angelegten Ohren an. Es ließ einen Pferdeapfel auf die Brücke fallen, um damit kundzutun, was es von der Sache hielt. Wieder einmal hatte Grundy sich unnötigerweise einen Feind gemacht. Das war eines seiner Talente.
    Ohne weitere Vorkommnisse gelangten sie auf die andere Seite und trabten gen Norden weiter. Sie hatten noch eine große Strecke vor sich und würden die mundanischen Linien an diesem Tag nicht mehr erreichen.
    Jetzt wurde das Gelände immer rauher, weil sie querfeldein reisten. Im nördlichen Teil Xanths gab es weniger Menschensiedlungen als im Süden, weshalb es auch weniger Menschenpfade gab. Es gab zwar einen guten Pfad zum Norddorf, wo Chamäleons Mann Bink aufgewachsen war, doch sie wollten allen Siedlungen möglichst aus dem Wege gehen, um ihre Mission geheimzuhalten. Die Mundanier hatten mit Sicherheit Spione in die unmittelbare Umgebung der verschiedenen Dörfer geschickt, warnte Ichabod. Deshalb umgingen sie das Norddorf in östlicher Richtung und durchquerten den Urwald, der zwischen ihm und der riesigen mittleren Region der Luft in der Mitte des nördlichen Xanths lag.
    Aus Dschungel wurde Wald, der mit Immerblau, Immergelb und Immergrün durchsetzt war, um schließlich Gestrüpp zu weichen. Wie um dies auszugleichen, wurde dafür der Boden um so rauher. So mußten sie ihr Tempo verlangsamen, gaben ihren Trott auf, um in Schritt zu verfallen, und auch dies wurde immer beschwerlicher. Beide Pferde glänzten vor Schweiß und stießen heißen, dampfenden Atem aus. Chamäleon und Ichabod, die eine solch lange Reise nicht gewöhnt waren, waren nun müde und wundgeritten, und selbst der gräßlich freche Golem saß stumm vor Chamäleon und

Weitere Kostenlose Bücher