Nacht-Mähre
schrecklichem Unrecht. Ich persönlich ziehe die Verhältnisse in Xanth deutlich vor.«
»Ja, das ist ganz praktisch für die Kommunikation«, stimmte der Golem ihm zu. »Hier sprechen die Tiere und Pflanzen verschiedene Sprachen, die Menschen dagegen nur eine einzige. In Mundania verhält es sich genau umgekehrt. Deshalb sprechen die Tiere auch nicht wirklich die Sprache der Menschen, es ist nur so, daß manche sie erlernt haben, wie du auch. Keiner hat bisher herausbekommen, welcher Zauber dafür sorgt, daß sich alle Menschen in Xanth untereinander verständigen können, selbst die Eindringlinge aus Mundania können mit den Menschen hier mühelos reden. Anscheinend gleichen sich die Menschensprachen von dem Augenblick an, in dem ein Mensch den ersten Schritt nach Xanth hinein getan hat.«
»Über die Magie Xanths gibt es noch viel zu lernen«, meinte Ichabod. »Ich hoffe nur, daß ich lange genug leben werde, um wenigstens einen Teil davon zu ergründen.«
Imbri spitzte die Ohren. Dann witterte sie die Brise. »Mundanier!« projizierte sie.
Sofort spähten die beiden anderen wachsam umher, bis sie bald den Rauch eines brennenden Feldes erblickten. »Warum zerstören sie nur so völlig willkürlich alles, was ihnen in den Weg kommt?« grollte Grundy. »Schließlich können sie mit ausgebranntem Boden genausowenig anfangen wie wir.«
Ichabod seufzte. »Das kann ich wohl leider beantworten. Ziel einer solchen Zerstörung ist es nicht, das Land für den eigenen Gebrauch zu erhalten, sondern den Gegner seiner Erzeugnisse zu berauben, um seine Kampfkraft zu schwächen. Hungernde Lebewesen können nun einmal nicht so gut kämpfen wie satte. Und da es in Xanth überall Magie gibt, den Mundaniern aber keine zur Verfügung steht, schaden sie den Bewohnern Xanths viel mehr als sich selbst, indem sie das Land für alle unbrauchbar machen. Das ist eine zwar grausame, aber sehr wirkungsvolle Kriegsmethode.«
»Wir müssen sie aufhalten«, sagte Grundy.
»Selbstverständlich. Aber das wird nicht leicht sein. Wir müssen sie erst auskundschaften, um mehr über sie zu erfahren; dann können wir uns entsprechend organisieren. Deshalb ist unsere Mission ja auch so wichtig. Ohne Informationen über den Gegner kann keine Seite auf den Sieg hoffen.«
Imbri schritt weiter und hielt sorgfältig Ausschau nach den gefürchteten Mundaniern. Aus dem Norden wehte eine leichte Brise gen Süden und peitschte das Feuer immer weiter, während kleine Lebewesen vor ihm flohen. Doch Feuer war in Xanth nichts Unbekanntes; ständig entfachten Feuerdrachen, Feuerfliegen, Feuervögel und Salamander irgendwelche Brände. Auch dieses Feuer würde also zu gegebener Zeit erlöschen, da Flüsse und dichte, saftige Vegetation ganz Xanth überzogen und nicht besonders gut brannten. Möglicherweise würde es auch von einem vorbeiziehenden Sturm gelöscht werden, wenn dieser sich irritiert seiner Wassermassen entledigte. Das Land Xanth konnte sich mit vielerlei Schmach abfinden, aber wenn es erst einmal entsprechend gereizt wurde, hatte es Mittel und Wege, zurückzuschlagen.
Das Problem war nur, daß sie, wenn sie sich windabwärts vom Feuer hielten, unter der Hitze und dem Qualm zu leiden hatten. Dagegen die Strecke auf der windzugewandten Seite zu benutzen hieße, das Risiko einzugehen, vom Feind entdeckt zu werden. Diese Kundschafterei war wirklich lästig, so notwendig sie auch in der Theorie sein mochte.
»Das funktioniert niemals«, meinte Ichabod schließlich hustend, als eine Rauchschwade ihn kitzelte. »Ich fürchte, wir befinden uns in einer unhaltbaren Situation. Ich möchte zwar nur ungern für eine Verzögerung plädieren, aber vielleicht sollten wir lieber doch bis zum Abend warten…«
»Wartet!« unterbrach ihn Grundy. »Ich sehe einen Irrwind.«
Imbri sah Drehschwalben, die sich im Westen nacheinander auf einem Windstoß drehten, der in nördlicher Richtung dahinjagte. Es war tatsächlich ein verirrter Wind, der gegen die vorherrschenden Winde anwehte. Wahrscheinlich war es eine junge Brise, die noch nicht dazu bereit war, sich zu beruhigen und ihren Ältesten anzuschließen.
»Wißt ihr, was passiert, wenn dieser Windstoß dort auf das Feuer trifft?«
Ichabod begriff sofort, worauf der Golem hinauswollte. »Dichter Qualm, der ihnen ins Gesicht weht und sie blind macht – kannst du dich darin entmaterialisieren, Imbri?«
»Ja, durch Rauch kann ich das, wenn er nur dicht genug ist«, erwiderte Imbri. »Aber der ist unzuverlässig.
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