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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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schockiert. »Eine Vernunftpaarung?«
    »Ja, du drückst es schon wieder recht treffend aus. Für mich war es wirklich, nicht dagegen für ihn; er tat ja nur seine Pflicht. Aber als Irene dann geboren wurde – nicht einmal eine Zauberin, und ein Mädchen dazu, also gleich ein doppelter Reinfall –, da gab es in diesem Punkt wohl keine Konflikte in seiner Seele. Er konnte ein anderes Kind ganz normal lieben, denn einem Mann ist es ja möglich, mehrere Kinder zu haben, ohne eines davon zu verleugnen. Das Mädchen stellte keine Bedrohung der Erinnerung an seinen Sohn dar. Er liebte Irene, und irgendwie liebte er manchmal sogar, wie ich glaube, Irenes Mutter.«
    »Ganz bestimmt!«
    »Und jetzt ist er fort oder vorübergehend außer Gefecht – das ist nun eine Illusion, die ich nicht aufgeben darf! –, und ich kann die Rolle spielen, die man von mir erwartet: die der trauernden, treuen Ehegattin. Weil es ja auch stimmt. Eine Zweckehe, die – wenigstens für mich – nach und nach insgeheim zu einer richtigen Ehe wurde. Und ich kann das, was ich für Xanth Gutes tue, für ihn tun, weil es eben das wäre, was er ja auch täte, so daß ich mich nur noch durch ihn verwirklichen kann.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich, die Ur-Feministin! Wie schlimm ist doch mein Sturz! Und um wieviel schlimmer, weil ihn keiner erkennt!«
    »Ich sehe das aber gar nicht als Sturz an«, meinte Imbri.
    »Du bist ja auch eine Mähre.« Doch die Königin lächelte und nahm die Tröstung entgegen. »Ich würde alles darum geben, ihn zurückzubekommen, auf welcher Basis auch immer, oder ihm in seine Verzauberung zu folgen. Aber das obliegt ja anscheinend nicht meiner Entscheidung, genausowenig wie die anderen wichtigen Entscheidungen in meinem Leben es getan haben.«
    Königin Iris versank in einen immer tieferen Schlaf, und Imbri ließ sie unterhalb der Traumschwelle sinken, um ihr die wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Sie hatte nichts von Iris’ Empfindungen geahnt und auch nicht danach gestrebt, davon zu erfahren. Aber nun war sie doch froh, darum zu wissen. Menschen waren wirklich komplizierter als Pferde!
     
    Innerhalb der nächsten Tage machte sich König Dors hastig einberufene und ausgerüstete Armee bereit, sich dem Gegner zu stellen. Alle wußten, daß König Trent einen erfolgreichen Feldzug hätte organisierten können – aber König Trent war leider nicht dabei. Das Volk hatte nicht viel Vertrauen in Dor – doch er war der einzige König, den Xanth hatte. Aber ob seine Fähigkeiten ausreichten?
    Dor begleitete die Armee zusammen mit seiner privaten Leibwache von alten Jugendfreunden. Er ritt auf Chet Zentaur, der mit einem prächtigen Bogen, einem Speer und einem Schwert bewaffnet war und auf magische Weise Felsbrocken in kleine Kiesel verwandeln konnte. Auch Chets Schwester Chem war dabei, denn ihr magisches Talent der Landkartenprojektion war unerläßlich, um die Positionen der Truppen Xanths und der Nächstweller genau markieren zu können. Chem trug Grundy den Golem auf ihrem Rücken, dessen Fähigkeit, mit allen Lebewesen reden zu können, König Dors Talent ergänzte, alle unbelebten Dinge zum Sprechen zu bringen. Gemeinsam konnten sie binnen kürzester Zeit eine Menge Informationen sammeln. Krach der Oger war auch dabei. Er glich inzwischen eher einem großen, etwas grobschlächtigen Mann, weil er von Geburt ja auch halbmenschlich war, aber wenn es nötig war, konnte er durchaus auch den schrecklichsten aller Oger hervorkehren. Da er zu Fuß nicht so leicht mit den Zentauren schritthalten konnte, ritt er auf Imbri.
    Imbri und Chem ritten nebeneinander. »Erinnerst du dich noch an mich, Chem? Ich habe deine Seelenhälfte.«
    »Ja, ich erinnere mich. Du hast uns damals dabei geholfen, aus dem Nichts zu fliehen. Ohne dich wären wir verloren gewesen. Jetzt hilfst du Chamäleon, nicht wahr?«
    »Sie mag keine Schlachten, will aber, daß ihr Sohn Dor in Sicherheit ist, weshalb ich auch den Oger trage.« Imbris Zentaurenabbild lachte. »Jetzt, da ich eine große Tagmähre geworden bin, muß ich dir wohl deine Seele zurückgeben…«
    »Nein, das war ein gerechter Tausch, wenn man alles bedenkt«, widersprach Chem ihr im Traum. »Meine Halbseele erholt sich langsam und wächst wieder nach, und ich hoffe, daß es deiner genauso geht.«
    »Mag sein«, erwiderte Imbri. »Ich weiß nicht, wie ich das beurteilen sollte. Früher war ich immerhin ein gänzlich seelenloses Tier.«
    »Manche der allerbesten Lebewesen besitzen keine

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