Nacht-Mähre
schütter geworden zu sein schien. »Ich wünschte, König Trent wäre wieder gesund, denn er besitzt das taktische Geschick, mit einer solchen Sache klarzukommen.«
Da war es schon wieder! Nicht einmal König Dor hatte Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten. Der Verlust von König Trent war ein schrecklicher Schlag für Xanth gewesen – wie der Anführer des Gegners, Varsoboes, anscheinend auch genau gewußt hatte. Der Reitersmann hatte bei seinem Erkundungsauftrag wirklich ganze Arbeit geleistet.
»Der Spaltendrache wird sie schon aufhalten«, meinte Grundy.
»Vielleicht, wenn wir die magischen Brücken wegnehmen. Aber das sollte unsere allerletzte Option sein, denn diese Brücken lassen sich nur ziemlich schwer wieder befestigen. Die Errichtung der letzten hat der Gute Magier Humfrey noch beaufsichtigt, aber der ist ja auch nicht mehr der Jüngste.«
»Der war noch nie der Jüngste«, wandte Grundy ein. »Höchstwahrscheinlich ist er bereits als haarloser, runzliger alter Gnom geboren worden. Aber es stimmt schon, was Ihr sagt, Majestät. Die Gorgone scheint in seinem Schloß so ziemlich das Regiment zu führen, und ich glaube, daß ich mich nicht unbedingt einer Brücke anvertrauen möchte, deren Errichtung er heute beaufsichtigen würde.«
»Also werde ich die alte Armee von König Trent anführen, um die Mundanier nördlich der Spalte aufzuhalten…«
»Nein, das wirst du doch wohl nicht selbst tun, Dor!« rief Chamäleon entsetzt.
»Aber Mutter, ich bin doch schließlich König!« protestierte er etwas weinerlich. »Es ist meine Aufgabe, die Armee anzuführen!«
»Eure Aufgabe ist es, Xanth zu regieren«, warf Grundy ein. »Wenn Ihr närrischerweise in den Krieg zieht und dabei getötet werdet, wie steht Xanth dann da?«
»Aber…«
»Hört auf sie, Euer Majestät«, sagte eine Stimme an der Tür. Es war die Königin Iris, die in Schwarz gekleidet war. »Ich weiß jetzt, wie man sich als Halbwitwe fühlt; ich möchte nicht, daß meine Tochter es auch erfahren muß.«
Dor lächelte schief. »Na schön, ich werde schon versuchen, am Leben zu bleiben. Aber ich muß bei den Soldaten sein. Das ist schließlich das mindeste, was ich tun kann.«
Wie vorgesehen, strömte die Nächstwelle an der Westseite Xanths in das Land hinein und mied die tödliche Zentralregion und die von Ungeheuern verseuchte Küste. Der Reitersmann hatte anscheinend die beste Marschroute ausgekundschaftet – nämlich den verzauberten Pfad, der von Handelsreisenden benutzt wurde, um zu dem Isthmus zu gelangen, welcher den einzigen Zugang zu Mundania darstellte. Nun half der Zauber den Feinden, direkt nach Schloß Roogna vorzustoßen.
Die meisten Lebewesen Xanths dachten an die früheren Invasionswellen als an tobende Horden plündernder Mundanier, und die jetzige Welle kam dieser Vorstellung recht nahe. Doch es war auch nicht zu übersehen, daß diese Streitmacht ein gewaltiges Können besaß, wenn es darum ging, ihr eigene Gewalttätigkeit konstant aufrechtzuerhalten und nicht erlahmen zu lassen. Die Mundanier lernten sehr schnell, wie sie mit den Gefangenen Xanths am besten umzugehen hatten und wie sie sich die Magie des Landes zunutze machen konnten.
Das ruhige Norddorf mußte hastig evakuiert werden, bevor die Invasionswelle es überspülte, und das Zentaurendorf südlich davon wurde ebenso schnell geräumt. Diese Zentauren waren weniger zimperlich, was magische Talente anging, als ihre fernen Verwandten auf der Zentaureninsel, so daß sie den Menschen bei der Evakuierung sehr halfen, indem sie nämlich die Alten und Kranken beförderten. Im Gegenzug setzten die Menschen ihre Talente dazu ein, den Zentauren den Marsch zu erleichtern, indem sie ihnen bei Bedarf Nahrungsmittel und Werkzeuge herbeizauberten. Es war eine beachtenswerte Zusammenarbeit. Zwar verfinsterten sich aller Mienen, wenn sie daran dachten, daß sie diese Gebiete dem Feind hatten überlassen müssen, aber daran war nun einmal nichts zu ändern.
König Dor gab Königin Iris den Auftrag, die Evakuierungsmaßnahmen zu überwachen. Sie verbrachte Tag und Nacht im Schlafgemach an der Seite des bewußtlosen Königs Trent und setzte ihre gewaltige magische Kraft auf eine Weise zum Wohle Xanths ein, wie auch König Trent es wohl von ihr erbeten hätte. Sie projizierte ihr Bild in jeden Haushalt des Dorfs, warnte alle vor der drohenden Gefahr und überzeugte sich davon, daß auch jeder an der Evakuierung teilnahm. Iris konnte diese Leute richtig sehen, und
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