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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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diese wiederum sahen auch sie; in diesem Ausmaß waren ihre Illusionen durchaus wirklich. Tatsächlich war es sehr schwierig festzumachen, wo die Illusion aufhörte und die Wirklichkeit begann. Sie sprach ruhig, aber mit Überzeugungskraft und sorgte dafür, daß die Dörfler ihre wichtigste persönliche Habe mitnahmen und nichts zurückließen, was den Mundaniern nützen konnte.
    Weil sie gleichzeitig auch den Fortschritt der Eroberungswelle verfolgen konnte, wenngleich die Front sich gerade noch am äußersten Rand ihres Wirkungsradius befand, schöpften die Leute Gewißheit und führten die Evakuierung geordnet durch, ohne sie zu überstürzen, aber auch ohne sie unnötig hinauszuzögern.
    Doch die Königin arbeitete auch sehr hart; all dies erforderte auf solche Entfernungen eine Menge Konzentration und Energie. Iris weigerte sich, sich nachts auszuruhen, weil sie alle Einzelheiten mehrmals überprüfen mußte. Ihre Illusionsgestalten wurden unscharf.
    Iris war nicht mehr auf dem Höhepunkt ihrer Jugend, sie war so alt wie König Trent. Diese gewaltige Anstrengung ohne Ruhepause konnte sie bald in einen ähnlichen Zustand bringen wie Trent selbst.
    Schließlich schickte Dor Imbri zu ihr mit einem Korb voller Speisen und Getränke; er gab ihr den Auftrag, die Königin dazu zu bringen, eine dringend benötigte Pause einzulegen. König Dor hatte ein ungutes Gefühl dabei, seiner Schwiegermutter Befehle zu erteilen, weshalb er auch Imbri losgeschickt hatte.
    Imbri betrat das Schlafgemach und stellte den Korb ab, dessen Riemen sie zwischen den Zähnen getragen hatte. »Königin Iris, ich habe Euch Erfrischungen gebracht«, projizierte sie. »Ihr müßt etwas essen und trinken.«
    Iris hielt in ihrer Illusionsarbeit inne. »Versuch nicht, mich an der Nase herumzuführen, Mähre«, fauchte sie. »Da ist ein Schlafmittel drin.«
    »Das stimmt«, meinte Imbri. »Eure Tochter hat es hineingetan. Aber sie sagt, daß sie schon auf ihren Vater aufpassen wird, während Ihr Euch ausruht, sofern es Euch recht ist.«
    »Ihr Platz ist an der Seite ihres Mannes, des neuen Königs«, sagte Iris mit etwas weicherer Stimme. »Ich weiß, daß sie ihren Vater liebt. Das braucht sie mir nicht erst zu beweisen.«
    »Bitte – ruht Euch doch aus! Die Dörfler können jetzt auch ohne Euch weiterreisen, und es kann sein, daß man Eures Talents später noch einmal bedarf.«
    »Tatsächlich liebt Irene Trent mehr als mich«, brummte Iris. Doch sie nahm etwas Kuchen zu sich und trank von der Kokosmilch, und sie gestattete es sich sogar, müde zu werden. »Dann paß du auf den König auf!« sagte sie. »Und schick mir bloß keine Alpträume! Ich habe so schon genug davon.«
    »Keine Alpträume«, willigte Imbri ein.
    Doch sie schickte der Königin wenigstens einen schönen Traum, in dem die Dörfler sicher südlich der Spaltenschlucht eintrafen, wo sie in anderen Dörfern aufgenommen wurden.
    »Versuch doch nicht, mir etwas vorzumachen!« sagte Königin Iris im Schlaf, als sie merkte, was gespielt wurde. »Ich beschere anderen zwar Illusionen, aber ich selbst ziehe die Wirklichkeit vor.«
    »Ihr seid tapfer«, sendete Imbri.
    »Und ich dulde auch keine falsche Schmeichelei!« konterte die Königin und drohte wieder aufzuwachen.
    »Ich habe ja nicht gesagt, daß Ihr nett seid«, sagte Imbri in dem Traum und nahm die Gestalt einer älteren Frau an, in deren Gegenwart sich die Königin vielleicht etwas wohler fühlen würde. »Ich sagte, Ihr seid tapfer.«
    »Es bedarf keiner Tapferkeit, um anderen Bilder zu schicken, das solltest du eigentlich wissen.«
    »Nein, aber um nach der Wirklichkeit zu streben«, erklärte Imbri. »Ich schicke meine Bilder in den Geist der anderen, nicht ins Außen, wie Ihr es tut. Aber auch ich ziehe die Wahrheit vor, die oft nicht das geringste mit einem Traum zu tun hat. Manche Leute ziehen aber die Illusion vor.«
    »Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen«, entgegnete die Königin. »Du versuchst mich am Schlafen zu halten, und wahrscheinlich ist das auch nötig. Wenn ich übermüdet bin, kann ich Xanth nicht gut dienen.« Doch da zuckte sie zusammen. »Xanth? Wem versuche ich denn jetzt schon wieder, etwas vorzumachen? Ich sagte, daß ich die Wirklichkeit suche, aber das hier ist doch nichts als Illusion! Ich habe mich noch nie um das Wohlergehen Xanths gesorgt! Ich wollte es immer regieren, was etwas ganz anderes ist. Aber keine Königin darf in Xanth herrschen, egal, welches Talent sie auch aufzuweisen haben

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