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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sonne aufging, hörten sie ein Geräusch. Königin Iris schritt an das größte Fenster und öffnete es. Der fliegende Teppich glitt ins Zimmer und landete sanft auf dem Boden. Darauf saß Chamäleon, die inzwischen etwas an Schönheit eingebüßt hatte. »Ich mußte einfach kommen«, entschuldigte sie sich. »Mein Mann soll heute abend aus Mundania zurückkehren, und ich muß ihn schließlich empfangen.«
    Königin Iris begrüßte sie mit weit geöffneten Armen. »Meine Liebe, ich habe dir viel zu sagen, und leider nicht nur Gutes.« Sie verschwanden in ein anderes Zimmer.
    Imbri begab sich hinaus auf den verlassenen Zombiefriedhof, um zu grasen und im Stehen zu schlafen. Das beste Gras wuchs immer um Gräber herum. Sie wußte, daß der Magier König Humfrey sie rufen würde, wenn er ihrer bedurfte. Gegen Mittag bestellte der Gute König Humfrey sie ins Schloß. »Bring mich zum Baobabbaum«, sagte er. »Dort werde ich meine Falle aufbauen.«
    Der Baobab! Dort hatte sie sich mit dem Tagpferd getroffen! Ob der Hengst wohl heute dasein würde?
    Nun erschien Chamäleon. »Euer Majestät, darf ich jetzt meinem Mann entgegengehen? Ich möchte nicht, daß er aus Versehen den Mundaniern in die Hände läuft, die zwischen ihm und hier sind.«
    »Er wird heute abend im Isthmus erwartet«, meinte Humfrey. Nun da er König war, wirkte er überhaupt nicht mehr fahrig oder verwirrt, auch wenn sein Alter ihn gebückt gehen ließ. »Imbri wird ihn von dort abholen, wenn sie nämlich schnell und sicher reisen kann.«
    »Aber ich will mitgehen«, meinte Chamäleon. »Ich habe bereits meinen König, meinen Sohn und meinen Freund den Zombiemeister verloren; auf meinen Mann will ich wenigstens selbst aufpassen!«
    Humfrey überlegte.
    »Das ist vielleicht ganz gut so. Der Nachthengst glaubt, daß du bei den kommenden Ereignissen eine wichtige Rolle spielen wirst. In der kurzen Zeit, die ihm noch verbleibt, muß Bink auf manches vorbereitet werden. Aber ihr werdet noch ein weiteres Reittier brauchen. Arnolde wird ihn zwar begleiten, aber der ist nicht der Stärkste; er ist schließlich so alt wie ich, mußt du wissen.«
    »Das Tagpferd!« sendete Imbri. »Es hat mir schon mehrmals geholfen. Wir treffen uns am Baobbaum. Der kann unser zweites Reittier sein.«
    Humfreys Augenbrauen zogen sich noch faltiger zusammen, als sie es sonst ohnehin schon immer taten. »Das Tagpferd? Dem bin ich noch nicht nachgegangen. Ist das ein magisches Tier?«
    »Nein, ein entflohenes mundanisches Pferd«, erklärte Chamäleon. »Ein sehr netter Hengst. Er wäre ein ausgezeichneter Reisegefährte für uns.«
    Der Magier zuckte mit den Schultern. »Wie ihr wollt.« Dann hievte er sich und seinen Beutel voller Tricks auf Imbris Rücken und sicherte sich mit einem erneuten Befestigungszauber.
    »Wir kommen heute abend, um dich abzuholen«, schickte Imbri Chamäleon ihre Nachricht in einem Träumchen. Dann machte sie sich auf den Weg, wobei sie, weil es ja Tag war, sorgfältig die Türen und die Stufen benutzte.
    Imbri trabte zum Baobab hinaus. Sie konnte das Tagpferd nirgendwo ausmachen – aber der Hengst würde sich ja auch wohl vor dem Magier versteckt halten, weil er sich vor Fremden fürchtete. »Tagpferd!« sendete Imbri. »Alles in Ordnung! Das hier ist der Gute Magier König Humfrey.«
    Das Tagpferd kam hinter dem umgekehrten Baum hervor. »Ist er auch kein Mundanier?« fragte er innerhalb des Träumchens.
    »Ganz im Gegenteil! Er ist ein großer Magier! Er weiß alles.«
    Beunruhigt wich das Tagpferd zurück.
    »Nicht alles«, knurrte Humfrey. »Nur, was ich zu erforschen beliebe – und mundanische Pferde habe ich bisher nicht erforscht, und dazu habe ich jetzt auch keine Zeit mehr. Kommt, wir müssen meine Zauber aufbauen.«
    Zögernd folgte der Hengst ihnen ins Innere des Baumes. Humfrey zauberte sich von Imbris Rücken frei und begann damit, seine Geräte aufzustellen. Flaschen und Phiolen und Päckchen und Bücher kamen in verwirrender Zahl und Vielfalt aus seinem Beutel hervor, bis es schließlich wesentlich mehr waren, als der Beutel hätte enthalten können. Natürlich mußte der Magier einen Beutel benutzen, der eine unmögliche Menge Kram fassen konnte!
    »Wofür sind diese ganzen Sachen?« projizierte Imbri in einem Träumchen, da ihre pferdische Neugier wieder einmal die Oberhand gewann. Sie fürchtete beinahe, daß der Magier ihr nicht antworten würde.
    »Es ist besser, wenn du das weißt«, sagte er jedoch zu ihrer Überraschung.

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