Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
Worte ausgeprochen, wusste sie, dass sie falsch waren, dass ihr Verdacht unbegründet und dumm war. Aber jetzt konnte sie es nicht mehr zurücknehmen.
*
Koster war nach Hause gefahren, um nach der Beerdigung seinen schwarzen Anzug gegen eine Jeans und ein frisches Hemd zu tauschen. Er dachte über das nach, was er von der Tochter der toten Gabriele Henke erfahren hatte. Die Trauerfeier hatte ihn aufgeweicht. Ja, genau so fühlte er sich. Weich und angreifbar. Zu gerne hätte er mit Jasmin über das gesprochen, was er diese Tage erlebt hatte. Aber sie bot ihm keinen Rückhalt mehr. Die Wohnung war leer und verlassen. Sie war noch bei ihren Eltern. Auf dem Anrufbeantworter waren keine neuen Nachrichten.
Er drehte sich im Kreis.
In seiner Not hatte er Staatsanwalt Menzel angerufen und die richterliche Anordnung für die Speichelprobenentnahme zum DNA -Abgleich erbeten. Menzel nörgelte, dass Koster DNA -Massentests nur anwenden durfte, wenn andere Mittel zur Aufklärung des Verbrechens nicht zum Erfolg führten. Er ermittelte den fünften Tag – ohne Ergebnis. Das war doch wohl erfolglos genug, oder? Er hatte sich auf Nebengleisen verfahren. Der Pfleger Philipp, die Medikamentenstudie, der Suizid von Isabell Drost, der große Unbekannte namens Alba. Andererseits konnte alles mit dem Mord an Henke zusammenhängen. Nur wie?
Die DNA -Spuren am Opfer und die DNA der Patienten und des Personals miteinander zu vergleichen war der nächste logische Schritt. Sie hatten genug Hautpartikel an Gabriele Henke gefunden, dass es für einen Abgleich reichen musste. Allerdings sahen sich dadurch unschuldige Menschen mit einem schlimmen Verdacht konfrontiert. Wenn das Speziallabor zügig arbeitete, konnten die Ergebnisse in wenigen Tagen vorliegen. Spätestens in einer Woche.
Die Ankündigung der Speichelprobenentnahme könnte zusätzlichen Schwung in die Situation bringen. Angesichts der schlechten Erfahrungen mit der Vollversammlung fuhr Koster allerdings mit sehr gemischten Gefühlen in die Klinik. Er war mit dem Chefarzt verabredet. Er bräuchte jede Unterstützung, die er bekommen konnte. Sollten sich viele Beteiligte weigern, eine Speichelprobe abzugeben, wäre er so klug wie vorher.
Nachdenklich betrat Koster den Fahrstuhl der Psychiatrischen Klinik und fuhr in den fünften Stock. Die Büros der Verwaltungsmitarbeiter und des Chefarztes lagen abgetrennt vom übrigen Krankenhausbetrieb. Hier ersetzte dicker hellgrauer Teppich den üblichen PVC -Boden und schluckte jeden Rest akustischen Lebens. Die Chefsekretärin saß hinter einem imposanten Schreibtisch aus Glas. Ihr Kopf mit den schwarzen hochtoupierten Haaren ruckte hoch, als Koster näher kam. Sie trug ein ebenso schwarzes Kostüm dazu.
»Sie müssen Kriminalhauptkommissar Koster sein. Bitte nehmen Sie Platz, Professor Gisecke kommt sofort.« Sie wies mit perfekt manikürter Hand auf das angrenzende Wartezimmer. Auf einem kleinen Tisch lagen Zeitschriften. Wasserkrug und Gläser schienen für einen längeren Aufenthalt bestimmt. In diesem Moment ging die Tür des Allerheiligsten auf und ein groß gewachsener, kantiger Typ in weißem Arztkittel, weißer Leinenhose und weißen Segeltuchschuhen trat heraus. Sein dunkles Haar hätte einen Schnitt gebrauchen können, die Brille, über die er Koster fixierte, war randlos und saß ein wenig schief auf der schmalen Nase. Der Chefarzt reichte ihm geflissentlich schwungvoll seine Hand zur Begrüßung.
»Kommen Sie herein, Herr Koster.« Er deutete auf einen Konferenztisch mit sechs Stühlen, der mitten im Büro stand. Ein Tablett mit Kaffee, Tassen und Keksen wartete. Ebenso Oberarzt Neumann. Dieser erhob sich, um Koster mit Handschlag zu begrüßen. Sie hatten sich also auf das Treffen vorbereitet. Er hatte nichts anderes erwartet. Hoffentlich machten sie es ihm nicht zu schwer.
Der riesige Schreibtisch quoll über vor Papierstapeln, Fachzeitschriften und Büchern. Professor Gisecke bot Kaffee an und fragte, ob Koster Milch oder Zucker wolle. Koster war das Lächeln des Chefarztes eine Spur zu routiniert. Aber er ermahnte sich, kein voreiliges Bild zu entwerfen. Schließlich ging es um den Leumund der Klinik.
»Herr Koster, wir hoffen, Sie können den Mord an unserer Patientin bald aufklären. Gibt es Neuigkeiten?«, fragte Gisecke.
»Wir haben eine ungefähre Vorstellung von den Ereignissen. Der Tatort ist frei zugänglich auch für Personen, die nichts auf der Station zu suchen haben, aber es ist wohl eher
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