Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
verabschiedeten sich die Trauergäste von Maria Rosenstein und ihrer Familie. Tessa wartete mit Koster, bis auch die letzten Gäste gegangen waren. Als sie vor Maria Rosenstein standen, fehlten Tessa die Worte. Koster überraschte sie.
»Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie sehr, dass sie einen Weg finden, mit diesem Schmerz umzugehen«, sagte er.
»Danke, dass Sie gekommen sind. Ich hoffe, Sie finden den Mörder bald. Bis nicht geklärt ist, warum das passiert ist, ist es unerträglich.« Maria Rosensteins Stimme brach.
»Wir geben nicht auf. Ich bin froh, dass Sie nicht alleine sind, sondern Ihr Mann Ihnen zur Seite steht. Und ich hoffe, dass ein paar der heute anwesenden Freundinnen Ihrer Mutter sich bei Ihnen melden.«
»Dann wäre sie nicht vergessen, nicht wahr? Das hat der Pastor ganz richtig gesagt.«
»Können Sie uns mit Alba, der Freundin ihrer Mutter, bekannt machen?«, fragte Tessa und spürte dabei Kosters warnenden Blick.
»Alba? Wie kommen Sie denn auf Alba?«
»Ihre Mutter hat sich in den letzten Tagen vor ihrem Tod mit Alba getroffen«, sagte Koster.
»Das glaube ich nicht«, sagte Maria Rosenstein. Nervös lächelte sie Tessa an. »Niemals.«
»So stand es in ihrem Kalender«, sagte Tessa.
»Aber das hieße ja …« Sie verstummte kurz und setzte neu an. »Alba ist keine Frau.«
Koster und Tessa sahen sich verblüfft an.
»Wie bitte? Keine Frau?«, fragte Tessa. »Aber Alba ist doch ein Frauenname.«
»Wir nahmen an, es handele sich um eine Freundin ihrer Mutter«, sagte Koster.
»Kommen Sie, wir gehen ein Stück«, sagte sie und wies auf den schmalen Weg in das Grün des Friedhofs. »Sie müssen wissen: Alba ist mein Vater!«
Sie gingen einen verwunschenen Weg zwischen Kapellbauten und prächtigen Grabsteinen entlang. Die Rhododendrenblüte begann und versprach den lang ersehnten Sommer.
»Ich habe den Namen Alba lange nicht mehr gehört«, sagte Maria Rosenstein nachdenklich.
Koster und Tessa gingen schweigend neben ihr.
»Wissen Sie, wer Albertus war? Albert der Große?«, fragte sie.
Koster und Tessa sahen sich an.
Maria Rosenstein lächelte. »Muss man nicht. Albert der Große war ein deutscher Gelehrter und Bischof. Meine Mutter hat meinen Vater Alba genannt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Tessa.
»Meine Mutter hat meinen Vater sehr verehrt. Sie fand ihn sehr klug. Eben wie einen Gelehrten.«
»Warum dieser Gelehrte?«, fragte Koster.
»Komisch, dass Sie fragen. Das weiß ich auch nicht. Meine Mutter sprach nicht über meinen Vater. Dass ich diesen Spitznamen mitbekommen habe, war Zufall.«
»Wo hat Ihre Mutter Ihren Vater kennengelernt«, fragte Tessa.
»Hat sie Ihnen das nicht erzählt? Ohne mich wäre sie heute Ärztin.«
Tessa blieb abrupt stehen. Gabriele Henke hatte Medizin studiert? Sie hatte kein Wort in diese Richtung verlauten lassen. Verdammt, womit hatte Tessa in der Therapie eigentlich ihre Zeit vergeudet?
»Das hat sie nie erwähnt. Sie hat nur erzählt, dass sie sich einmal das Leben nehmen wollte, als Sie noch ein Baby waren.«
»Ja, davon hat sie mir später erzählt. Da hatte mein Vater sie schon verlassen. Ohne ein Wort verschwand er spurlos. Sie gab ihr Studium auf, brachte uns mit Aushilfs-Jobs durch. Sie hat nie einen richtigen Beruf gelernt. Deshalb lebte sie heute von Hartz IV.« Sie schluckte. »Ich wollte immer, dass sie ihr Studium nachholte. Ich hätte ihr mit Geld geholfen. Aber sie war zu stolz. Und als dann unser Sohn zur Welt kam, hatte ich kein Geld mehr übrig.«
»Könnte es sein, dass Ihre Mutter wieder regelmäßigen Kontakt zu Ihrem Vater hatte?«, fragte Koster.
Tessa musste an das Gespräch mit David Brömme zurückdenken. Er hatte ein Telefonat belauscht, in dem Gabriele Henke anscheinend jemandem die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Brömme hatte es eine Erpressung genannt.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie sollte sie ihn gefunden haben?« Maria schüttelte den Kopf.
»Ein Patient erzählte mir von einem Telefonat Ihrer Mutter. Sie soll gesagt haben, dass jemand zahlen solle. Für sie und ihre Tochter«, sagte Tessa.
»Was?« fragte Koster ungläubig und stoppte abrupt. »Wieso weiß ich davon nichts? Wer hat das Gespräch gehört?«
»Vielleicht ist es nur die Phantasie eines Patienten«, versuchte Tessa zu beschwichtigen.
»Wir haben auf ihrem Handy keine Telefonnummern gefunden, die wir nicht zuordnen konnten.«
»Der Patient hat sie in der Eingangshalle aus der Telefonzelle telefonieren
Weitere Kostenlose Bücher