Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
unwahrscheinlich, dass ein Fremder einfach so auf die Station marschiert. Alle Patienten und das gesamte Personal haben Zugang zum Lagerraum. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von gut verwertbaren Spuren vom Tatort. Das führt mich gleich zu meinem Anliegen.« Koster hatte seinen Kaffee nicht angerührt. Auch Neumann wartete in gespannter Haltung.
Der Professor hingegen lehnte sich mit seiner Tasse im Sessel zurück. »Sie glauben ernsthaft, dass Sie den Täter hier im Haus finden? Weder die Patienten noch das Personal sind zu so einer Tat fähig. Das ist absurd.«
»Eine schlimme Vorstellung!«, bestätigte Koster nickend. »Wir untersuchen natürlich auch das private Umfeld von Gabriele Henke. Wir haben allerdings bisher keinen Anhaltspunkt für einen Täter von außerhalb. Frau Henke hat sich mit ihrem Mörder im Laggerraum am Fahrstuhl getroffen. Zufällig? Oder waren sie verabredet? Es gab eine Unterhaltung. Sie kannte ihren Mörder. Sie hat nicht geschrien oder um Hilfe gerufen. Sie war ahnungslos.« Koster zögerte kurz und griff nach seiner Tasse Kaffee. »Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass es zu einem Gewaltexzess innerhalb Ihrer Klinik gekommen ist.« Er blies auf den Kaffee, der erste Schluck schmeckte erstaunlich gut. Heiß und stark. »Und klar, es gibt offene Fragen. Aber wir beantworten alle. Nach und nach.« Er war nicht halb so zuversichtlich, wie er tat.
»Sie glauben, dass der Täter weitermacht wie vorher? Ohne dass wir etwas merken? Das ist nicht ihr Ernst.« Gisecke wandte sich an seinen Oberarzt. »Gibt es denn keine Auffälligkeiten bei einem Patienten?«
Neumann griff nach dem Kaffeelöffel auf seiner Untertasse.
»Na ja, aufgrund der Ereignisse sind alle durcheinander. Aufgeregt, paranoid, ängstlich. Es ist schwer zu unterscheiden, was die Auslöser sind«, wiegelte er ab.
»Ja, ja, ja. Aber wir können nicht alle zu Verdächtigen abstempeln«, sagte Gisecke und wedelte mit der Hand.
»Ich habe heute eine richterliche Anordnung beantragt, die uns erlaubt, von allen Patienten und dem Personal der Station 2 eine Speichelprobe zu entnehmen«, sagte Koster. »Wir können dann einen DNA -Abgleich mit den Spuren vom Tatort vornehmen. In spätestens einer Woche wissen wir mehr. Ich möchte Sie um Ihre Unterstützung bitten.«
So, jetzt war es heraus. Er stellte die Tasse zurück auf den Tisch.
Stille senkte sich über die Anwesenden. Koster suchte Blickkontakt zu Gisecke, um seiner Bitte Nachdruck zu verleihen. Dieser sah fast amüsiert aus. Als halte er den Vorschlag für so ungeheuerlich, dass es nur ein Scherz sein konnte.
»Machen Sie Witze?«, fragte Gisecke.
Bingo. Vielleicht lernte Koster in der Psychiatrie noch etwas dazu? Diesen Blick zu lesen war gar nicht schwer gewesen.
»Nein, ich scherze nicht. Natürlich informieren wir Ihre Patienten und das Personal ausführlich. Und wir speichern keine Daten. Die Abgabe ist freiwillig. Aber …«, er machte eine kleine Pause, »es sieht natürlich merkwürdig aus, wenn sich jemand diesem Anliegen verweigert.« Er ließ die Worte wirken. Vielleicht sprang einer der beiden darauf an?
»Was soll das denn heißen? Wenn man sich Ihrer Willkür widersetzt, ist man tatverdächtig? Das ist ja unerhört. Ich verweigere mich auf alle Fälle diesen Methoden.« Neumann war laut geworden und blinzelte hektisch.
Wieder ein Treffer. Dieser merkwürdige Tic des Oberarztes. Den hatte Koster fast vergessen. Tessa hätte es gefallen, wie Neumann sich in die Ecke gedrängt fühlte. Er musste ihr davon erzählen. Nein, das wäre wohl keine gute Idee.
»Nehmen Sie es nicht persönlich. Es ist eine effektive Methode, die laufenden Ermittlungen zu unterstützen. Ein Tatverdacht begründet sich natürlich nicht ausschließlich auf die DNA -Spuren.« Kommt Jungs, macht mir das Leben nicht unnötig schwer, dachte er und nahm sich einen Keks.
»Es ist freiwillig?« Chefarzt Gisecke hatte sich vorgebeugt und schien um Schadensbegrenzung bemüht.
Koster nickte. »Ich komme morgen früh mit einem kleinen Team auf die Station, und wir informieren jeden Einzelnen, beantworten alle Fragen.«
»Ravens und Nika sollen den Kommissar unterstützen. Ich will kein großes Aufsehen, verstanden?«, wandte sich Gisecke an Neumann. Damit schien sich die Audienz dem Ende zuzuneigen.
»Wenn Sie meinen«, sagte Neumann widerwillig und schüttelte entgeistert den Kopf.
»Also, meine Herren, hoffen wir, dass der Spuk bald vorbei ist.«
Koster sollte
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