Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
Backsteinbau mit seinem reetgedeckten Steildach sah, fühlte es sich ein bisschen so an, als würde sie nach Hause kommen.
Sie war oft hier gewesen in den Jahren, die sie ihn jetzt kannte. Sie hatte ihn im Studium in einem seiner Fallseminare gehört und war fasziniert gewesen von seiner unkomplizierten Nähe und Menschlichkeit zu den Patienten. Das war es wohl auch, was es dem Patienten ermöglicht hatte, über seine Erkrankung vor den Studenten zu sprechen und sich dennoch geschützt zu fühlen. Nach dem Seminar hatte sie ihn angesprochen und ein Praktikum in der Psychiatrie vereinbart. Es gefiel ihr so gut, und Paul war so begeistert von ihr, dass sie nach dem Examen auf seiner Station eingestellt worden war.
Noch bevor man auch nur in die Nähe des Hauses kam, vermittelten einem kleine liebevolle Details, wie die hochgebundenen Kletterrosen oder die kleine Holzbank vor der Tür, dass die Bewohner warmherzige Menschen sein mussten. Tessa hatte kaum die Gartenpforte hinter sich geschlossen, als zwei kleine Beagles auf sie zugesprungen kamen und sie mit fröhlichem Gebell begrüßten. Gleich dahinter bog Paul um die Ecke. Tessa hob lachend die Hand und beugte sich zu den beiden Hunden runter, die sich, bereit für eine Streicheleinheit, erwartungsvoll vor sie hinsetzten.
»Lass dich nicht von ihnen einwickeln. Sie haben das mit dem Kindchenschema gut raus. Immer wenn sie mit den Augen kullern, wollen sie was!«
Paul nahm Tessa in die Arme, und Tessa verharrte einen kleinen Moment. Dann betraten sie gemeinsam das Haus und gingen gleich linker Hand in das Kaminzimmer, wie Paul sein Arbeitszimmer nannte. Es war ein kleiner Raum voller Bücherregale und mit einem wundervollen Lesesessel direkt vor einem geschlossenen dänischen Kaminofen. Die Hunde waren draußen geblieben.
»Paul, ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Ich hätte dich nie verdächtigen dürfen«, sagte Tessa kleinlaut. »Ich hatte einen furchtbaren Tag, und ich muss dir so vieles erzählen.«
»Und jetzt vertraust du mir wieder?«, fragte Nika.
»Ich habe dir immer vertraut, ich habe mir nur selber nicht mehr geglaubt. Ich wusste einfach nicht mehr, wem ich glauben soll und wem nicht. Aber ich kann mich auf meine Gefühle verlassen. Das ist das Einzige, auf das ich mich wirklich verlassen kann. Und du bist mein Freund – nicht mein Feind!« Tessa nahm seine Hand. »Kannst du mir verzeihen?«
Pauls Augen funkelten amüsiert. »Jetzt werd mal nicht gleich theatralisch. Natürlich nehme ich deine Entschuldigung an. Erzähl, was dich sonst herführt.«
Die Tür ging langsam auf, und Liz, die Frau, die es seit über fünfundzwanzig Jahren an seiner Seite aushielt, balancierte mit zwei Schalen Milchkaffee herein. Die beiden Beagles nutzten die Gelegenheit und stoben durch die offene Tür hinterher. Für Tessa war die gut aussehende Frau mit dem feinen Gesicht, in das Weisheit und Nachsicht gezeichnet waren, wie eine Ersatzmutter. Sie nahm Tessa in die Arme und meinte, sie hätten wohl etwas Wichtiges zu besprechen, sie käme später wieder. Die Hunde ließen sich neben Pauls Sessel fallen.
»Alle Ladys liegen dir zu Füßen.«
»Tja, was soll ich sagen … wo du recht hast, hast du recht.« Er grinste und rührte sich drei Löffel Zucker in seinen Kaffee. »Sag nichts, Liz guckt grad nicht, dann kann ich mir einen mehr gönnen.«
»Als ob sie das nicht wüsste. Liz weiß alles. Und das wiederum weißt du.«
»Verdirb mir nicht den Spaß. Es gibt wohl keinen Keks dazu?« Sein Blick wanderte suchend umher.
»Mir ist nicht nach Spaß. Ich habe großen Mist gebaut. Alles fing mit Isabell Drost an. Dann bin ich in ein Büro eingebrochen, habe einem Patienten womöglich falsche Hoffnungen gemacht, unseren Oberarzt der Studienmanipulation bezichtigt und mich in den ermittelnden Beamten verliebt.«
»Beeindruckende Liste! Das muss ich langsam verdauen. Reichst du mir mal die Zigaretten?«
Während er sich genüsslich eine Zigarette anzündete und den Rauch einatmete, als ob es seine erste Zigarette seit Tagen wäre, nippte Tessa an ihrem Milchkaffee.
»Hast du Beweise, dass Neumann die Studie manipuliert hat? Das ist eine sehr ernste Beschuldigung. Mindestens einer von euch verliert seinen Job!«
Tessa nickte.
»Hhmm. Ich mochte ihn nie, aber das hätte ich ihm nicht zugetraut«, sagte Paul. »Wozu tut er das? Wo will er hin?«
»Die Frage lautet eher: Wo kommt er her?«, entgegnete Tessa.
Er legte fragend die Stirn in Falten.
»Er kannte
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