Nacht ohne Ende
bisschen Belüftung würde nicht schaden, wenn Sie mich fragen.«
Nachdem er in dieser Hinsicht beruhigt sein konnte, teilte Ronnie seine Aufmerksamkeit zwischen Sabra, seinen Geiseln und dem wachsenden Getümmel draußen, was mehr als genug war, um ihn zu beschäftigen. Tiel erhob sich von ihrem Platz an Sabras Seite und fragte Ronnie, ob sie etwas aus ihrer Tasche holen dürfte. »Meine Kontaktlinsen sind trocken geworden. Ich brauche meine Befeuchtungslotion.«
Er warf einen schnellen Blick auf die Tasche, die auf dem Tresen lag. Sie hatte sie dort zurückgelassen, nachdem sie die Handwaschpaste für Doc herausgenommen hatte. Ronnie schien hin und her zu überlegen, ob es ratsam wäre, ihr die Erlaubnis zu geben, als sie sagte: »Es wird nur eine Sekunde dauern. Ich kann sowieso nicht lange von Sabra wegbleiben. Es beruhigt sie, eine andere Frau in der Nähe zu haben.«
»Okay. Aber ich beobachte Sie. Bilden Sie sich nur ja nicht ein, ich würde Sie auch nur einen Moment aus den Augen lassen.«
Die draufgängerische Unerschrockenheit des jungen Mannes war nur vorgetäuscht. Er hatte Angst und war fix und fertig, aber er hatte noch immer den Finger am Abzug seiner Pistole. Tiel wollte nicht diejenige sein, die die Schuld daran trug, wenn er plötzlich die Nerven verlor und durchdrehte.
Sie ging zum Tresen, wo Ronnie sie sehen konnte, während sie in ihrer Tasche nach dem kleinen Fläschchen mit den Augentropfen kramte. Sie schraubte die Kappe ab und legte den Kopf in den Nacken, um die Tropfen einzuträufeln. »Verdammt«, fluchte sie leise und presste einen Finger auf ihr Augenlid. Dann nahm sie ihre Kontaktlinse heraus, wühlte in ihrer Tasche nach einem anderen Fläschchen und reinigte die Linse dann in einem kleinen Teich von Flüssigkeit in ihrer Handfläche.
Ohne sich umzudrehen, um Gladys und Vern anzusehen, sagte sie im Flüsterton zu ihnen: »Ist in Ihrer Kamera ein Band?«
Vern - dem Himmel sei Dank - inspizierte angelegentlich ein loses Stückchen Nagelhaut an seiner linken Hand und sah ungefähr so verschwörerisch aus wie ein Ministrant. »Ja, Ma'am.«
»Und auch neue Batterien«, fügte Gladys kaum hörbar hinzu, während sie ihren Kniestrumpf herunterkrempelte, so dass er eine Manschette um ihr Fußgelenk bildete. Sie begutachtete das Ergebnis, kam zu der Entscheidung, dass ihr der Strumpf anders besser gefiel, und rollte ihn wieder hoch. »Es ist alles fertig zum Aufnehmen. Halten Sie sich bereit. Wir haben ein kleines Ablenkungsmanöver geplant.«
»Warten Sie -«
Bevor Tiel ihren Satz beenden konnte, bekam Vern plötzlich einen heftigen Hustenanfall. Gladys sprang vom Boden auf, warf die Tasche mit der Kamera in Tiels Reichweite auf den Tresen und fing dann an, ihren Ehemann kräftig zwischen die Schulterblätter zu schlagen. »O Gott, Vern, nicht wieder einer deiner Erstickungsanfälle! Dass du dich aber auch ausgerechnet jetzt an deiner eigenen Spucke verschlucken musst! Der Herr bewahre uns!«
Tiel setzte rasch ihre Kontaktlinse ein und blinzelte ein paarmal, bis sie richtig an Ort und Stelle saß. Dann - als alle einschließlich Ronnie zuschauten, wie der alte Mann verzweifelt keuchte und japste, um wieder zu Atem zu kommen, während Gladys ihm unentwegt Schläge auf den Rücken versetzte, als ob sie einen Teppich ausklopfte - griff Tiel hastig in die Nylontasche und nahm die Videokamera heraus.
Sie kannte sich gut genug mit Camcordern aus, um zu wissen, wo der Startschalter war. Sie legte den Schalter um und drückte auf den Aufnahmeknopf. Dann trat sie unauffällig an eines der Regale und schob die Kamera zwischen zwei Kartons mit Zigaretten, während sie stumm betete, dass Ronnie sie nicht entdecken würde. Sie machte sich keine allzu großen Hoffnungen, was die Qualität der Aufnahmen anging, aber Amateurvideos hatten sich in der Vergangenheit schon oft als unschätzbar wertvoll erwiesen, einschließlich des Zapruder-Films von der Ermordung John F. Kennedys und des beunruhigenden Videos von der Straßenszene in Los Angeles, als Rodney King von mehreren Polizisten zusammengeschlagen worden war.
Verns Hustenanfall legte sich allmählich wieder. Gladys bat Ronnie um die Erlaubnis, ihrem Mann eine Flasche Wasser zu holen.
Tiel legte die Fläschchen mit den Augentropfen und dem Kontaktlinsenreiniger in ihre Tasche zurück und wollte gerade die Hand wieder herausziehen, als sie ihren Kassettenrekorder entdeckte. Sie benutzte das winzige Tonbandgerät manchmal während eines
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