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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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sich mit einer alten Decke ab. Warum hätte ich wegsehen sollen? Erstens wußte sie nicht, daß ich da war, und zweitens wirkte sie alles andere als sexy. Seltsam, daß einen manche Frauen entflammen können wie einen Spirituskocher, und daß andere absolut keine solche Ausstrahlung haben.
      Sie zog eine alte Hose an, die sicher schon einmal bessere Tage gesehen hatte, dazu ein Männerhemd, einen grünen Wollpullover mit Löchern an den Ellbogen, und zuletzt band sie sich ein rotes Tuch über den Kopf.
      Als sie sich dann hinsetzte und ihre Füße in ein Paar Pelzstiefel schob, trat ich aus der Deckung hervor und grüßte freundlich: »Guten Morgen.«
      Sie war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. »Einen schönen guten Morgen«, erwiderte sie gelassen, und stand auf.
      »Kein Grund zur Aufregung«, sagte ich, völlig über
    flüssigerweise. »Mein Name ist Stacey Wyatt. Ich komme von Ihrem Stiefvater Karl Hoffer. Drei meiner Freunde warten weiter oben am Berg. Wir wollen Sie hier herausholen.«
      Herr im Himmel, was war ich doch für ein Narr. Sie war ganz allein hier und unbewacht und konnte sich offensichtlich völlig frei bewegen. Warum mir das nicht gleich auffiel, werde ich wohl nie in Erfahrung bringen. Vielleicht war ich nach dieser anstrengenden Nacht einfach zu müde zum Denken.
      »Und was erwarten Sie jetzt von mir? Daß ich in lauten Jubel ausbreche?« fragte sie kühl. Sie hatte eine wunderbare knappe englische Aussprache. »Hat er Ihnen nicht gesagt, wie Sie mich erledigen sollen? Mit dem Gewehr, mit dem Messer? Oder einfach mit einem Stein?«
      Ich starrte sie nur verblüfft an. In diesem Augenblick ging mir ein Licht auf. Sie hatte sich ein wenig von mir abgewandt. Als sie mir dann wieder ihre Vorderseite zukehrte, hielt sie in der Rechten eine alte Beretta-Pistole. Ich hatte den Eindruck, daß sie damit durchaus umzugehen verstand.
      »Würden Sie mir das vielleicht etwas genauer erklären?« bat ich. »Ich fürchte, da komme ich nicht ganz mit.«
      »Warum drücken Sie nicht ab?« fragte sie scharf.
      Ich hielt meine A. K. immer noch auf den Boden gerichtet. Dann ließ ich sie vor meine Füße fallen und legte die UZI daneben.
      »Sehen Sie – keine Waffen.«
      Sie ließ sich nicht beeindrucken. »Und das Ding da in Ihrem Halfter?«
      Ich zog den Revolver hervor, legte ihn ebenfalls auf den Boden, trat dann drei Schritte zurück, lehnte mich an eine Steineiche und zog meine Zigaretten hervor.
      »Möchten Sie eine?«
      Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte lieber ein gesegnetes Alter erreichen.«
      »Wenn Sie meinen, daß sich das lohnt…« Ich zündete mir eine Zigarette an. »Jetzt werde ich Ihnen etwas erzählen, und Sie werden mir genau zuhören. Danach können Sie mich meinetwegen erschießen – wenn Sie das dann immer noch wollen.«
      »Das werden wir ja sehen«, sagte sie ruhig. »Aber beeilen Sie sich, ich habe noch nicht gefrühstückt.«
      Ich erklärte ihr die Geschichte mit einigen kurzen Sätzen. Als ich fertig war, hatte sich ihr Gesichtsausdruck nicht im mindesten verändert.
      »Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte sie, »hat mein Stiefvater Ihnen erzählt, daß Serafino Lentini mich entführt hat und für Lösegeld festhält. Daß er das Geld bezahlte, daß aber Serafino mich gemeinerweise doch hier festgehalten hat – mich und das Geld dazu?«
      »So ungefähr.«
      »Das ist eine Lüge, Mr. Wyatt. Von Anfang bis Ende erlogen.«
      »Habe ich mir gedacht.«
    Jetzt war sie doch überrascht. »Das verstehe ich nicht.«
      »Ich weiß zufällig, daß Serafino Lentini auf Grund gewisser Verletzungen, die ihm die Polizei vor ein paar Jahren bei einem Verhör zugefügt hat, physisch gar nicht in der Lage ist, sich so für eine Frau zu interessieren.«
      »Aber wenn Sie das gewußt haben, wenn Ihnen klar war, daß an der Geschichte meines Stiefvaters von Anfang an etwas faul war – warum sind Sie dann hergekommen?«
      »Ich war schon immer sehr neugierig.« Ich grinste. »Das finanzielle Angebot war genauso interessant wie die Geschich te, die er erzählt hat. Sagen Sie, haben Sie wirklich mit vierzehn Jahren schon mit dem Chauffeur geschlafen?«
      Diese Frage schien nun doch den eisernen Panzer, mit dem sie sich umgeben hatte, anzuknacken. Ihre Augen wurden groß, sie holte tief Luft und dann überzog etwas, das ich nur als jungfräuliche Röte beschreiben kann, ihre Wangen.
      »Entschuldigung«, sagte

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