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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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nicht.«
      Das klang ausgesprochen böse. Ich unterbrach ihn mit einer raschen Handbewegung. »Okay – du bist der Boß.«
      Ich machte mich wieder an den Abstieg, legte jetzt ein scharfes Tempo vor, ging auch hin und wieder ein Risiko ein. Einmal rutschte ich mitten in einer Geröllawine dreißig Meter in die Tiefe und glaubte, es würde nie wieder aufhören. Genützt hat es nichts. Im grauen Licht der Dämmerung waren wir immer noch hundert Meter oberhalb der ersten vereinzelt stehenden Bäume.
      Noch nie zuvor in meinem Leben bin ich mir so nackt vorgekommen wie in dem Augenblick, wo ich die anderen über die kahle Bergflanke hinüberführte. Es war genau zwanzig Minuten vor fünf, als ich den Waldgürtel erreichte.

    11

    Der graue Morgen breitete sich unter den Bäumen aus. Wir hockten in einem Kreis beisammen und aßen etwas. Burke schien es recht gut zu gehen, sein Atem klang wieder normal. Aber Legrande sah man jetzt sein Alter an, und die Linien m seinem Gesicht waren wie mit einem Messer eingeschnitten. Ja, für diese Art von Unternehmen war er inzwischen wirklich zu alt geworden.
      Selbst Pete wirkte müde und durchgefroren, wie er da auf dem nachtfeuchten Boden hockte. Die ›schweren Jungs‹ hatte man einst Legrande und ihn genannt. Es hatte Gelegenheiten gegeben, wo der Anblick der beiden, wie sie Schulter an Schulter herankamen und sich mit der Wucht einer Lokomotive ihren Weg bahnten, genügt hatte, daß man aufsprang und laut »Hurra« schrie – das war nun einmal der Lauf des Lebens.
      Ich zitterte leicht. Diese Art von grauem Morgen mochte ich nicht. Er erinnerte mich an viele ähnliche Morgendäm merungen, wo so mancher gute Kamerad fehlte.
      Ich zündete mir eine Zigarette an und rauchte sie bis zum Ende, obgleich sie scheußlich schmeckte. Dann rückte Burke herüber und breitete seine Karte aus.
      »Wir können uns hier höchstens nur noch hundertfünfzig Meter oberhalb der Hütte befinden, in der er sich angeblich versteckt. Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn du die Lage mal rasch erkunden könntest. Wir warten hier. Ich gebe dir eine Dreiviertelstunde Zeit.« Leise fügte er hinzu: »Ich glaube, Legrande kann die Pause gebrauchen, er ist ganz erledigt.«
      Ich stand auf. »Klingt ganz vernünftig. Bis später.«
      Ich stieg zwischen den Bäumen hinunter. Auf den felsigeren Hängen waren es Kork- und Steineichen, aber dann gelangte ich in einen Streifen von Buchen und Nadelbäumen und kam viel rascher voran.
      Aus einem Gebüsch brach ein Fuchs hervor. Er versetzte mir einen solchen Schrecken, daß es beinahe sein Ende gewesen wäre, aber das hätte für uns alle übel ausgehen können. Hier am Berg gab es abgesehen von Serafino und seinen Burschen noch eine ganze Menge anderes Wild: Wildkatzen, Marder, ab und zu einen Wolf; aber die rennen alle lieber davon, wenn sie einen Menschen riechen.
      Nun kam ich rasch voran und konnte manche Strecken sogar im Trab zurücklegen. Ich hielt meinen Karabiner schußbereit, rutschte ab und zu einen Hang auf dem Rücken hinunter und hatte innerhalb von fünfzehn Minuten gut hundert Meter Höhenunterschied geschafft.
      Rechts von mir rauschte ein Wildbach. Ich balancierte hinüber, legte mich auf den Bauch und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Es schien ziemlich gleichgültig zu sein, auf welchem Weg ich abstieg, und außerdem war es mehr als wahrschein lich, daß ein Schäfer seine Hütte möglichst nahe am Wasser baute, besonders wenn man die Zustände bedachte, die im Sommer hier herrschten.
      Zuerst hörte ich nur die Stimme – eine Art leisen, unterdrückten Aufschrei, der rasch abbrach. Ich hielt inne und ging auf ein Knie. Es blieb eine Weile still, dann plantschte es kräftig, und ich hörte einen zweiten kurzen Schrei.
      Ich hatte die sehr ehrenwerte Joanna Truscott bis jetzt nur zweimal gesehen, und zwar auf den Fotos, die Hoffer uns gezeigt hatte. Auf dem einen Bild trug sie eine Skiausrüstung, auf dem anderen hatte sie sich für eine Gartenparty fein gemacht. Kaum zu fassen, daß dieses Mädchen, das da vor mir fröhlich nackt im Wasser plantschte, dieselbe Joanna Truscott sein sollte.
      Sie hatte das Haar zu einem Zopf zusammengebunden. Gesicht, Hals und Arme waren von der Sonne verbrannt wie bei einer Zigeunerin. Ansonsten war ihr Körper milchweiß und jungenhaft. Sie hatte fast keinen Busen, und nur ihre Hüften erinnerten an weibliche Formen.
      Sie stieg aus dem Wasser und trocknete

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