Nacht ohne Schatten
Geld einbringt? Und wieso eine Woche später auch noch ihr eigenes Atelier?«
»Nada hatte verdammt teures Equipment für eine kleine Künstlerin, das hast du selbst gerade gesagt«, dröhnt Makowski, bevor Manni antworten kann.
»Sie hat Erfolg mit ihrer Kunst, groÃen Erfolg«, sagt Judith Krieger.
»Was genau heiÃt das in Euro?« Makowski streckt die Beine aus.
»Ich weià es nicht.« Die Krieger beiÃt sich auf die Unterlippe. »Ich werde das überprüfen. Aber selbst wenn Nada noch im Milieu tätig ist â woher sollte sie Swetlana kennen? Die Welt eines Eskort-Girls ist meilenweit von der einer Zwangsprostituierten entfernt.«
»Einmal Milieu, immer Milieu.« Makowski fixiert die Krieger aus schmalen Augen. »Wer lebt schon von Kunst? Ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass Nada sich immer mal wieder was dazuverdient. Ist doch okay, ist völlig legal.«
»Legal!« Die Krieger spuckt das Wort förmlich aus. War ja klar, dass sie Kontra gibt, sich einmal mehr um Kopf und Kragen redet. »In Deutschland, ja. In Skandinavien wurden die Gesetze hingegen verschärft, dort machen sich Freier strafbar, wenn sie zu Prostituierten gehen.«
»Mit dem Erfolg, dass das Geschäft im Verborgenen blüht und die Nutten dort keinerlei Rechte haben.«
»Mag sein, aber â¦Â«
»Judith, komm runter. Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt, das kannst du nicht abschaffen.«
»Das weià ich auch.« Die Krieger sieht plötzlich sehr müde aus. »Aber eine Gesellschaft, die das legalisiert, signalisiert damit, dass es vollkommen okay ist, wenn Männer Frauen benutzen. Und das hilft den Freiern und den Zuhältern â nicht den Prostituierten, um deren Wohl es doch angeblich geht.«
»Amen.« Makowski faltet demonstrativ die Hände.
»Das reicht jetzt.« In Millstätts Stimme klirrt Eis.
»Lasst uns bei den Fakten bleiben.« Auch Kühn räkelt sich hoch und zählt sie ihnen an den Fingern auf. »Berger und Swetlana kannten sich. Berger ging ins Bordell. Der Pizzeriakeller war ein Puff, in dem Swetlana anschaffen musste â für Luigi Baldi, vielleicht auch für Berger. Oder Berger wollte sie da rausholen. Die Pizzeria ist ausgebrannt. Das Atelier Nadas auch. Brandstiftung â in beiden Fällen. Nada hat jedenfalls vor vier Jahren als Callgirl gearbeitet. Wir müssen sie finden, dringend. Wir müssen ihre Konten überprüfen und ihr Telefon.Wir müssen wissen, ob es irgendeine nachweisbare Verbindung zwischen ihr und den anderen Opfern gibt. Arbeitet sie noch als Prostituierte? Auch das will ich wissen.«
»Die Lösung liegt in der Kunstfabrik«, sagt Judith Krieger leise, beinahe so, als spreche sie mit sich selbst.
Diddl Makowski hebt zu protestieren an, winkt dann aber ab, als sehe er ein, dass es müÃig ist, einer geistig Minderbemittelten die Relativitätstheorie zu erklären. Er fährt sich mit der feisten Rechten über die Glatze, lenkt die allgemeine Konzentration zurück aufs Rotlichtmilieu, und schon bald schieben sie sich doch wieder Spekulationen und Hypothesen zu. Es nervt, verschwendet kostbare Zeit, vor allem, wenn man bedenkt, dass unterdessen ein russisches Mädchen stirbt, von der sie noch immer nicht mehr als den Vornamen kennen.
»Gib mir Zeit bis Montag«, sagt die Krieger am Ende der Konferenz zu Axel Millstätt, als alle mit Aufgaben für einen weiteren Tag versorgt sind.
Millstätts Bitterschokoladeaugen saugen sich an seinem einstigen Liebling fest.
»Montag«, wiederholt die Krieger stur. »Es muss doch nicht zwangsläufig Prostitution im Mittelpunkt stehen.«
Makowski verdreht die Augen, alle anderen schweigen, bis der KK-11-Leiter sich mit einem Seufzer erhebt.
»Du hast das Wochenende, Judith, von mir aus. Aber dann will ich Fakten.«
* * *
Der Narr ist eine Harlekinsfigur, die in der einen Hand Feuer und in der anderen Wasser trägt, Energie und Intuition. Lächelnd geht der Narr seinen Weg, unverwundbar durch seine Furchtlosigkeit. Aber in Wirklichkeit bedeutet Feuer Zerstörung, und die Intuition einer Polizeibeamtin kann sie geradewegs ins Aus katapultieren, falls sie für deren Richtigkeit keine Beweise liefert.
Judith schiebt ihre Tasse zur Seite. Der Kaffee, nach dem sie so gegiert hat, schmeckt bitter und ist viel zu stark auf
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