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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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nicht.
    Beißender Rauch liegt über der S-Bahn-Haltestelle Gewerbepark. Feuerwehrlöschtrupps, Polizeiautos mit rotierendem Blaulicht und ein paar verschlafene Anwohner blockieren die Straße, es ist beinahe wie ein Déjà-vu. Judith flucht, als sie erkennt, dass das Atelier der Künstlerin Nada im Zentrum derLöscharbeiten steht. Flammen schlagen aus seinen Fenstern, verwandeln sich zu schwarzem Qualm, der die geborstenen Fenster in der Backsteinfassade wie leere Augenhöhlen wirken lässt.
    Sie braucht den Einsatzleiter. Jetzt, sofort. Sie drängelt sich zwischen den Feuerwehrleuten durch, entdeckt ihn, packt ihn am Arm. Sie ist dem Täter zu nahe gekommen. Der Brand ist eine direkte Reaktion auf ihre Ermittlungen in den Ateliers, es kann nicht anders sein. Sie hätte sich durchsetzen müssen, sich nicht von Kühn abservieren lassen dürfen. Jetzt war der Täter schneller, hat vernichtet, was es zu vernichten gab: Spuren, die sie nun allenfalls ansatzweise rekonstruieren können. Der Täter – oder die Täterin.
    Â»Ein S-Bahn-Fahrer hat den Brand gemeldet.« Der Einsatzleiter erkennt Judith wieder und brüllt seine Erklärung über den Lärm der Löscharbeiten.
    Â»Gestern Abend war eine öffentliche Veranstaltung in der Kunstfabrik, im Erdgeschoss«, schreit Judith.
    Â»Der untere Gebäudeabschnitt ist nicht betroffen.« Das Funkgerät des Einsatzleiters meldet sich quäkend, er bellt ein paar Anweisungen hinein, hastet davon.
    Sie hat es gewusst, ihr Instinkt war richtig. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Kunstfabrik und den Morden, vielleicht verbirgt sich in dem Backsteingebäude sogar die Lösung. Sie müssen Anwohner und Künstler befragen und den S-Bahn-Fahrer, der das Feuer gemeldet hat. Judith schaut hinauf zu der Haltestelle. Was hat dieser neuerliche Brand mit der Ermordung Wolfgang Bergers zu tun? Was hat er hier vor einer Woche gesehen, das er auf keinen Fall sehen durfte, und wie passt Luigi Baldi in dieses Rätsel?
    Â»Diese Schweine!« Paul Klett steht plötzlich neben Judith, mit wirrem Haar.
    Â»Schweine? Von wem reden Sie?« Sie starrt ihn an.
    Â»Die Stadt. Der Fabrikbesitzer. Die Immobiliengesellschaft, die dieses Gebäude verkaufen soll. Suchen Sie sich’s aus.«Hohläugig starrt er auf die Fassade der Kunstfabrik, an der die letzten Flammen im Löschwasser ersticken.
    Â»Das sind ziemlich wilde Anschuldigungen.«
    Â»Seit das hier als lukrativer Baugrund gilt, gibt es ständig neue Auflagen von den Ämtern! Vor ein paar Monaten hatten wir schon mal einen Brand, angeblich aufgrund eines Kurzschlusses in der Elektrik. Seitdem sind die noch mehr hinter uns her. Die wollen uns rausjagen, das ist doch klar.«
    Â»Es brennt vor allem Nadas Atelier.«
    Â»Wundert Sie das? Sie ist schließlich unser Aushängeschild.«
    Der Einsatzleiter ist zurück, zieht Judith zur Seite. »Das Feuer wurde gelegt«, sagt er, als sie außer Hörweite sind.
    Â»Brandstiftung also.« Sie hat es gewusst, fühlt, wie ihr Pulsschlag sich noch mehr beschleunigt. »Wie in der Pizzeria.«
    Sie folgt dem Einsatzleiter in die Kunstfabrik. Das Treppenhaus wirkt beinahe unversehrt, doch die Wände des oberen Flurs sind rauchgeschwärzt. Brandgeruch ätzt in Judiths Kehle. Ihre Augen tränen. Es hört nicht auf, denkt sie. Nur Ort und Opfer ändern sich.
    Â»Diese Türen standen offen, aber der Brandherd befand sich eindeutig hier.« Der Einsatzleiter deutet auf die verkohlten Überreste von Nadas Atelier.
    Â»Letzte Nacht war die Tür zu diesem Atelier mit mehreren Schlössern verriegelt.«
    Was war in Nadas Atelier? Was sollte hier vernichtet werden? Die Spuren eines Verbrechens? Ein Mensch? Werden sie in den Trümmern ein weiteres Brandopfer finden? Ich mache Schluss, hatte Thea Markus gestern Nachmittag gesagt. Nun ist ihr Atelier zerstört, wie das von Nada. Die Werkbank, das Sofa, die Regale, Schränke und Gemälde. Vielleicht gibt es gar keinen Zusammenhang mit Wolfgang Berger und Luigi Baldi, denkt Judith widerstrebend. Vielleicht hat Thea Markus diesen Brand gelegt, als Rache an einer erfolgreichen Kollegin. Doch auf der Gala schien die Verzweiflung der Bildhauerin vergessen.
    Judith kämpft ihre Unruhe nieder, zwingt sich zur Sachlichkeit. Sie mustert die Schlösser, soweit sie unter dem Ruß zu erkennen sind. »Ich glaube nicht,

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