Nacht ohne Schatten
die Wand. Sie sieht fürchterlich aus. Die Jeans verdreckt, das Haar verfilzt, die Gesichtshaut grau. Eine schwarze Schliere prangt auf ihrer sommersprossigen Wange, sie wischt achtlos darüber, als sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht schiebt, verschmiert sie noch mehr. »Nada wurde zuletzt am Freitagabend, 6 . Januar, gegen 18 Uhr im Treppenhaus Eigelstein 23 von ihrer Nachbarin Patricia Lohmann gesehen«, referiert sie weiter. »Frau Lohmann sagt, sie war auf dem Weg in ihr Atelier, das, wie wir wissen, direkt neben dem Tatort liegt, an dem der S-Bahn-Fahrer Wolfgang Berger wenige Stunden später erstochen wurde.«
Manni lehnt sich zum Anfänger rüber. »Was ist passiert?«
»Das Atelier dieser Nada ist ausgebrannt.«
ScheiÃe, verdammt, schon wieder hat er sein Handy vergessen. Irgendwann gestern Abend hat er es kaltgestellt, weil seine Mutter zum x-ten Mal nervte. Warum kann sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen, jetzt, wo sein Vater sie nicht mehr terrorisiert? Sie muss endlich aufhören, sich an ihn zu klammern. Er muss mit ihr reden, bald, sobald es geht.
»Ich habe Nada zur Fahndung ausgeschrieben. Ich habe bereits seit einer Woche versucht, sie zu erreichen, um sie als Zeugin zu befragen. Ohne Erfolg.« Wieder wischt die Krieger sich übers Gesicht. Ihre Augen sind rot unterlaufen. »Der Brand hat die Dringlichkeit nun natürlich verändert und weist noch dazu auf eine Verbindung zu den Morden an Berger und Baldi hin. Aus Nadas Wohnung am Eigelstein ist in den letzten 24 Stunden ein Laptop entfernt worden, und alle Nachrichten auf dem Anrufbeantworter wurden gelöscht.«
»Was ist mit Angehörigen?«, will der Anfänger wissen.
»Ihre Mutter verstarb vor zwei Jahren an Krebs. Ihr Vater, ein Kroate, mit dem die Mutter nicht verheiratet war, ist 1991 im Balkankonflikt zwischen Kroatien und Serbien verschollen, bei den Kämpfen um Vukovar. Keine Geschwister.«
Helmut Kühn nimmt den Bleistift aus dem Mund, auf dem er zuvor angelegentlich herumgekaut hat. »Es wäre schön, wenn du die Suche nach dieser Nada schon früher forciert hättest.«
»Ich habe dich gestern Abend um einen Durchsuchungsbeschluss gebeten«, sagt die Krieger nach ein paar Sekunden, gefährlich leise.
»Du hattest nichts. Die Staatsanwaltschaft hätte uns ausgelacht.« Kühn lehnt sich zurück.
»Ich habe gesagt, dass es dringend ist.«
»So läuft das nicht. Du hast mir keinerlei plausible Begründung nennen können.«
»Ich habe dich später noch einmal angerufen, habe dir von dem Messer berichtet, das ich im Atelier von Thea Markus sicherstellte.«
»Was die Künstlerin Nada nicht belastet. AuÃerdem warst du nicht sicher, ob es tatsächlich die Tatwaffe Berger ist.«
»Gib das Messer in die KTU, Judith.« Axel Millstätts Stimme schneidet, verrät aber nichts darüber, auf wessen Seite er steht.
Judith Krieger nickt, beamt ein weiteres Foto von Nada an die Wand, das die Künstlerin augenblicklich deutlich attraktiver erscheinen lässt.
»Hola, die kenn ich doch!« Diddl Makowskis knubbeliger Zeigefinger schieÃt vor, als wolle er die Frau auf dem Foto liquidieren. »Die hat für eine Agentur gearbeitet, die ich vor vier Jahren hopsgenommen hab.«
Ein paar Sekunden sagt niemand etwas, dann bequemt sich Makowski, genauer zu werden.
»Eskortservice, gehobene Klasse. Schöne, gebildete junge Frauen, die von ihrem Beruf gestressten Herren neben teurem Sex auch Konversation bieten und sie ins Konzert, Theater oder Restaurant begleiten.«
Die Krieger starrt Makowski an. »Bist du sicher?«
»Yep. Die Agentur arbeitete illegal, ohne Gewerbeschein.«
»Nada ist groà genug, um ins Täterprofil für Wolfgang Berger zu passen«, sagt Manni nachdenklich.
»Aber was wäre ihr Motiv?« Ungeduldig fummelt die Krieger an ihren Locken herum. Die Wendung, die dieses Meeting nimmt, gefällt ihr nicht, das ist überdeutlich zu sehen.
»Hilfe für eine Kollegin? Rache?«
»Was deine Theorie von Berger als dem guten Freier, der Swetlana retten will, zunichtemacht.« Kriegerin. Sie funkelt Manni an.
»Vielleicht hat sie das Pizzabordell ja mit Baldi gemeinsam betrieben, und Berger kam ihr in die Quere«, sagt er trotzdem.
»Und wieso zündet sie die Pizzeria dann an, inklusive des Mädchens, wenn er ihr laut dieser Theorie doch
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