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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Kulturbeutel, diverse Koffer und Reisetaschen, alles da.«
    Â»Sieht nicht nach einer Urlaubsreise aus.«
    Â»Es sei denn, sie verfügt über eine Zweitidentität.«
    Patricia Lohmann trägt jetzt Jeans und Kapuzenpulli. Sie bittet Judith in ihre Küche, beinahe eifrig, als habe sie auf sie gewartet. Aber dann weiß sie doch nichts wirklich Erhellendes auf Judiths Fragen nach den Geheimnissen und Beziehungen ihrer Nachbarin zu sagen, rutscht nervös auf ihrem Ikea-Klappstuhl herum und kratzt Lackreste von ihren Fingernägeln. Weiß sie von Nadas Callgirl-Vergangenheit? Hat Nada einen Liebhaber? Oder mehrere? Hat sie noch immer Kontakte ins Rotlichtmilieu? Hat sie Feinde? Hat Patricia Lohmann in den letzten Tagen irgendjemand im Treppenhaus gesehen, etwas von nebenan gehört …
    Auf einmal schlägt die Studentin die Hände vors Gesicht und beginnt zu schluchzen. »Niemals würde Nada ihr Atelier abbrennen. Sie war doch so begeistert von ihren neuen Projekten, sie hat so gekämpft für die Kunstfabrik. Wenn sie gestern wirklich nicht bei dieser Gala war, kann das nur eines bedeuten.«
    Â»Nämlich?«
    Â»Sie ist tot.«
    * * *
    Es gibt einen Ort, der so dunkel ist, dass man ihn sich nicht vorstellen kann. Zu dunkel sogar für Entsetzen und Angst. Ekaterina hat sich immer vor dieser Schwärze gefürchtet, beinahe ihr ganzes Leben lang ist sie vor ihr geflohen. Jetzt war siedort, zum zweiten Mal, und zu ihrem Erstaunen hat sie überlebt. Sie ist auf dem Wohnzimmerteppich gekniet und hat Tjuollda gestreichelt, das ist das Letzte, was sie noch weiß. Erst als ihr Wecker klingelte, ist sie wieder aufgewacht, in ihrem Bett, den friedlich schlafenden Kater neben sich.
    Â»Chlamydien, so, so.«
    Ekaterina nickt, weiß nicht, wo sie hinschauen soll. Sehr aufrecht sitzt sie auf Karl-Heinz Müllers Besucherstuhl, einen gefährlich wackelnden Plastikteller mit dampfenden Tortellini auf dem Schoß. Sie hat diese Nacht überstanden und ihre Erinnerungen. Sie ist noch immer erstaunt, wie gelassen sie seitdem ist. Sie hat ausgiebig geduscht und dann sehr sorgfältig ihre Garderobe ausgewählt: eine Jeans und eine weiße Satinbluse, dazu die violetten Wildlederstiefeletten und einen Samtblazer in derselben Farbe. Sie hat dezentes Make-up aufgelegt, violetten Lidschatten und einen hellen, rosa Lippenstift. Sie hofft, dass ihr Outfit ihr bei der am Nachmittag anstehenden Podiumsdiskussion zum Thema häusliche Gewalt Autorität und Sicherheit verleihen wird.
    Im Krankenhaus hat Ekaterina dann den Kommissar Korzilius getroffen. Swetlana heißt die junge Komapatientin, hat er ihr verraten. Swetlana. Sweta. Ein russischer Name. Unwillkürlich hat sie an die toten Mädchen von Nischnij Tagil gedacht. Schneeglöckchen heißen sie im russischen Polizeijargon. Tote, die erst mit der Schneeschmelze im Frühjahr gefunden werden. Ekaterina spießt ein paar soßengetränkte Tortellini auf ihre Gabel, balanciert sie in ihren Mund. Das gemeinsame Mittagessen mit ihrem Chef ist der Preis, den sie für ihre erneute Eigenmächtigkeit zu zahlen hat. Den ganzen Vormittag über hat sie sich davor gedrückt, Karl-Heinz Müller von dem Chlamydien-Test zu berichten, nun hat sie sich endlich ein Herz gefasst.
    Â»Chlamydia trachomatis«,
wiederholt Karl-Heinz Müller.
    Wenn sie längere Beine hätte, könnte sie sich wenigstens auf dem Boden abstützen, so bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Füße an den Stuhlbeinen zu verhaken und zu hoffen, dasssie nicht plötzlich abrutscht und dann einen Teil der Matschnudeln auf der Hose hat. Ekaterina schluckt die Tortellini herunter. Sofort scheinen sie in ihrem Magen ein Eigenleben zu entwickeln und aufzugehen wie Hefeteig. »Das Mädchen, Swetlana, und der S-Bahn-Fahrer sind mit exakt demselben Erreger infiziert. Das Ergebnis Baldi dauert länger, das Ausgangsmaterial ist ja nicht so gut.«
    Â»Clever, dieser Test.«
    Ihr Vorgesetzter rückt ein gigantisches, frisch gebügeltes Stofftaschentuch über seiner blutroten Krawatte zurecht, bevor er mit gesundem Appetit die nächste Ladung Gnocchi in seinen Mund schaufelt.
    Â»Die Sache mit der Kommunikation könntest du allerdings noch verbessern.«
    Ein Tropfen Tomatensoße spritzt auf die Leertaste seiner Computertastatur. Müller befeuchtet seinen Zeigefinger mit Spucke und tupft ihn weg.
    Ekaterina

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