Nacht ohne Schatten
bestimmt alles klären, Nada ist keine Mörderin.«
Die Kommissarin tritt ihre Zigarette aus. »Nada hatte das Messer also, die verschwundene Nada, wie praktisch für Sie. Besitzt Nada einen Schlüssel zu Ihrem Atelier?«
»Nein, nur ich.«
Die Kommissarin lässt ihr Handy aufschnappen, tippt ein bisschen herum, hält Thea dann das Display hin. »Dann frage ich mich, wie das Messer zurück in Ihren Werkzeugkasten gekommen ist.«
Ihre Schnitzmesser, unversehrt, intakt, inmitten all der anderen MeiÃel, Spatel und Hobel. Der Anblick treibt Thea die Tränen in die Augen. Doch jetzt ist keine Zeit für Sentimentalitäten. Sie hebt den Kopf, sieht der Kommissarin in die Augen. »Nada könnte es ohne mein Wissen in den Werkzeugkasten gelegt haben.«
»Wie und wann, wenn Sie Nada nicht dabei gesehen haben und Ihr Atelier nicht unbeaufsichtigt lassen?«
Jemand war in ihrem Atelier, heimlich, ohne ihr Wissen. Wann hat Thea das gedacht? An dem Tag, an dem ihre Waschmaschine repariert wurde, kurz bevor Judith Krieger zum ersten Mal zu ihr kam. An dem Tag, als sie plötzlich zweifelte, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen war. An dem Nachmittag nach dem Mord.
»Derjenige, der den Brand gelegt hat, hat Ihre Tür jedenfalls geöffnet«, sagt die Kommissarin. »Sind Sie wirklich sicher, dass niemand einen Schlüssel hat?«
»Niemand, nein.«
Die Kamera auf dem Stativ, auf einmal fällt sie Thea wieder ein. Der Ersatzschlüssel, mit dem Thea Nadas Atelier geöffnethat: Irgendjemand hatte ihn ohne Theas Wissen gereinigt, jemand, der ganz genau wusste, wo sie ihn aufbewahrt. Was hat das zu bedeuten?
»Wo ist Ihre Kollegin Nada, was glauben Sie? Warum ist sie gestern nicht zu dieser Gala erschienen?« Die Kommissarin lässt Thea nicht aus den Augen.
»Ich kann mir das wirklich nicht erklären.«
»Sie besaà teures Equipment, das ausgesprochen gut versichert war.«
»Versicherungsbetrug? Das hat sie doch gar nicht nötig. AuÃerdem ist die verbrannte Kunst unersetzbar.«
»Soweit ich weiÃ, lässt sich ein GroÃteil von Nadas Kunst auf CDs brennen«, sagt die Kommissarin. »Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich: Jemand hat Nada getötet und bemüht sich, die Spuren der Tat zu vernichten.«
Trotz der Kälte beginnt Thea zu schwitzen. Dieser Brand ist ein Einschüchterungsakt, ein Anschlag auf die Kunst, ein Versuch, uns rauszuekeln, will sie sagen, bringt aber kein Wort heraus.
»Soweit ich das verstanden habe, haben Sie Nada während des Studiums gefördert.« Die Kommissarin wirkt jetzt fast entspannt, wahrscheinlich weil sie Theas Bedrängnis bemerkt. »Wussten Sie, dass Nada damals hin und wieder als Callgirl arbeitete?«
»Wie bitte? Nein, das wusste ich nicht.«
Schweigen senkt sich zwischen sie, Stille, die beinahe greifbar wird, bis die Kommissarin sie endlich bricht.
»Sie sagen nicht, dass Sie sich das nicht vorstellen können.«
»Wenn Sie es sagen, wird es wohl stimmen.«
»Das heiÃt, eine solche Vergangenheit trauen Sie Ihrer Kollegin prinzipiell zu.«
Thea denkt an das triumphierende Funkeln in Nadas Augen, eine Art Besitzerstolz, wenn sie Paul bei sich antanzen lieà und ein paar Tage später wieder abservierte. Oder Lars. Oder einen dieser Journalisten, die ihr sowieso aus der Hand fraÃen. Undwieder Paul, der litt und trotzdem gehorchte und keine Augen für Thea mehr hatte. Und irgendwelche Männer, von denen sie nur sprach, die Thea nie zu Gesicht bekam, sondern allenfalls durch die Wand hörte. Mein Derzeitiger, mein Reichermann, mein Loverboy, so nennt Nada diese Kurzzeitliebhaber. Manchmal hat Thea gehört, wie sie nebenan rumvögelte, oder auch mal lautstark stritt. So ist Nada eben, impulsiv, nicht zu Kompromissen bereit, eine Herrscherin, der die Männer zu FüÃen liegen. Wäre Thea auch so geworden, ohne den verdammten Unfall? Früher hielt sie das für erstrebenswert, jetzt ist es müÃig, darüber auch nur zu spekulieren.
»Nada versteht es sehr gut, ihre Gefühle zu schützen«, sagt sie zu der Kommissarin. »Nicht jede Frau kann das.«
»Wer ist ihr Freund? Mit wem ist Nada im Moment liiert?« Judith Krieger fixiert Thea, als wolle sie sie hypnotisieren.
»Mit Paul Klett hat sie immer mal wieder was. Da sind aber auch noch andere Männer, die ich
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