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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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im Atelier sei verbrannt …«
    Nur zwei Stunden nachdem sie endlich ins Bett gekommen war, hat das Telefon Thea aus dem Schlaf gerissen. Sie wusste sofort, dass der schrille Klingelton zu dieser Uhrzeit nichtsGutes bedeutete, noch bevor sie Pauls Stimme erkannte und begriff, was er schrie.
    Â»Ist das Ihr Messer?« Die Kommissarin dreht sich eine Zigarette, ohne den Blick von Thea zu wenden.
    Verbrannt, alles verbrannt, Nadas Atelier, Theas Atelier. Werkbank, Regale, Werkzeuge, Farben, Möbel und am schlimmsten und unersetzlichsten: all ihre Bilder und Holzskulpturen und Entwurfsskizzen, die Thea in der Kunstfabrik verwahrte. Ihr Werk, ihre Kunst, ihre Existenz – vernichtet, verkohlt. Der blanke Hass spricht aus diesem Akt der Zerstörung. Paul hat recht, der Brand ist die Quittung für ihre Gala, ein Denkzettel für Nada, die den Widerstand gegen die drohende Räumung der Ateliers anführte, und weil Thea sich überreden ließ, Nada auf der Gala zu vertreten, ist nun auch sie ins Visier der Immobilienhaie geraten.
    Â»Ich habe so ein Messer in meinem Werkzeugkasten. Hatte, meine ich.« Thea schluckt. Warum hat sie sich von Paul zu diesem Galaauftritt überreden lassen, ausgerechnet gestern, als sie wieder einmal völlig am Boden war? Weil sie sich gebraucht fühlte, geschmeichelt von seinen Bitten. Weil sie zwar rational erkannte, dass sie die Kunst aufgeben muss, aber das dann doch nicht ertrug. Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter. Thea lächelt bitter. Nie hat dieser alte Spontispruch so gut gepasst wie heute. Sie hat überlegt, das Atelier aufzugeben, Einrichtung und Werkzeuge zu verkaufen, sich in ihrer winzigen Wohnung eine Ecke zum Malen einzurichten und nur noch die Steinwerkstatt zu mieten. Jetzt ist diese Planung hinfällig, sie hat nichts zu verkaufen und auch keine Entschädigung zu erwarten, denn ihre Hausratversicherung hat sie während ihrer letzten Finanzkrise gekündigt.
    Â»Sehen Sie sich dieses Messer ganz genau an und sagen mir, ob es Ihnen gehört«, befiehlt die Kommissarin.
    Unwillig greift Thea nach der Plastiktüte, tritt ans Fenster, mustert den Messergriff.
    Â»Das ist mein Messer, ja«, sie zeigt der Kommissarin das winzige T, das sie nach dem Kauf in den Griff geritzt hat. »Aber ich verstehe nicht, woher haben Sie das?«
    Die Kommissarin nimmt das Messer wieder an sich, verstaut es in ihrer Handtasche, heftet ihre grautürkisfarbenen Augen erneut auf Theas Gesicht.
    Â»Mit diesem Messer wurde der S-Bahn-Fahrer Wolfgang Berger vor einer Woche auf den Gleisen erstochen.«
    Ein Adrenalinstoß jagt durch Theas Körper, lässt sie für Sekunden die staubige Kälte, die von den Wänden der Steinwerkstatt strömt, vergessen.
    Â»Aber das kann nicht sein, das ist ganz unmöglich …«
    Â»Aberaberaber.« Die Kommissarin schnaubt. »Sie glauben gar nicht, wie oft ich das bei Vernehmungen höre.«
    Thea schüttelt den Kopf, langsam, unfähig zu begreifen. Die Kommissarin zieht an ihrer Zigarette. Ungeduldig, das ist deutlich zu sehen.
    Â»Ich bin diese Abers so leid«, erklärt sie überflüssigerweise, einen Schwall Rauch ausstoßend. »Sprechen wir über die Fakten: Dieses Messer gehört Ihnen, das haben Sie mir gerade bestätigt. Es war in Ihrem Werkzeugkasten in Ihrem Atelier. Und es ist ganz ohne Zweifel die Tatwaffe. Also, was folgern Sie daraus?«
    Blut summt hinter Theas Schläfen, Schmerz jagt in ihr Knie, als sie sich Halt suchend an die Wand lehnt.
    Â»Moment, warten Sie«, bittet sie, als mache die Kommissarin Anstalten, zu gehen. »Dieses Messer kann nicht in meinem Werkzeugkasten gewesen sein.«
    Â»Ach.«
    Â»Doch, bitte, glauben Sie mir.« Auf einmal meint Thea, keine Luft mehr zu kriegen. »Ich habe das Messer vor einiger Zeit verliehen«, sagt sie mühsam. »Ich habe es nicht zurückbekommen und bis eben nicht einmal mehr daran gedacht. Weiß der Himmel, wer es in der Zwischenzeit alles benutzt hat.«
    Â»Wann haben Sie es genau verliehen und wem?«
    Â»Ich weiß nicht mehr, kurz vor diesem Mord.«
    Â»An wen, Frau Markus?«
    Â»Nada.« Das Wort fällt Thea schwer, ist nicht mehr als ein Hauch. »Sie arbeitet ja sonst nicht mit Holz, brauchte es aber für irgendwas, und ich brauchte es gerade nicht. Bitte, ich will niemanden beschuldigen, das lässt sich doch

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