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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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verziehen, starrt sie zurück. Sie mag keine Abenteuer, schon gar keine nächtlichen Experimente auf dem Kölner Straßenstrich, so viel ist klar.
    Wieder checkt Manni den Rückspiegel, der Audi trödelt. Vielleicht hat er einfach nur dasselbe Ziel. Im Herbst hatten sie einen Fall in Longerich, die dabei erworbenen Ortskenntnisse kommen Manni jetzt zupass. »Festhalten«, warnt er die Petrowa, gibt dann Vollgas und fluppt mit quietschenden Reifen abrupt nach links ins Wohngebiet, im Zickzack durch ein paar Spiel- und Einbahnstraßen, dann mit einem U-Turn zurück auf die Neusser Landstraße und seitlich auf einen Feldweg, wo er mit abgeschalteten Scheinwerfern sondiert, ob die Luft nun rein ist. Die Petrowa sagt keinen Ton, rückt nur ihre Pelzmütze zurecht. Manni grinst. Besser als das Geschrei der Krieger, sobald es ein bisschen rasanter wird, und noch dazu hat es geklappt: Der Audi ist nicht mehr zu sehen.
    Die Aktion mit der Petrowa ist eine Notmaßnahme, deren Erfolg in den Sternen steht, man könnte auch sagen: Der Ausflug auf den Strich ist eine Verzweiflungstat. Denn trotz aller Ackerei kommen sie im KK 11 nicht weiter. Es gibt keinen Hinweis, dass diese Nada noch anschafft. Es gibt wenig Hoffnung, dass Swetlana erwacht. Wie ein Marktschreier hat Manni dafür plädiert, wenigstens Popolows Scheißharemsclub hochgehen zu lassen und die verängstigte Kleine aus dem fensterlosen Hinterzimmer zu befreien, augenblicklich, sofort. Erst bräuchte man einen Beweis dafür, dass sie minderjährig sei, hat Makowski erklärt. Zu oft schon habe man Popolows Etablissements erfolglos gefilzt und jetzt, wo es um Mord ginge, wolle man ihn doch nicht warnen. Auch Millstätt hat sich nicht erweichen lassen. Man müsse vorsichtig agieren. Was für eine langweilige Leier.
    Manni dreht sich zu der Petrowa um.
    Â»Wie gesagt, die Frau, die wir brauchen, heißt Irina. Sie kennt die Russenszene hier in Köln, ist womöglich als Minderjährige von einem Zuhälter namens Igor Popolow hierher verschleppt worden, hat ein paar Jahre in seinen Clubs angeschafft, wurde drogenabhängig und landete schließlich auf dem Straßenstrich.«
    Die Petrowa nickt.
    Â»Das mit Popolow und dass sie Swetlana kennt, ist aber nur eine Vermutung.« Manni hat nicht vor, die russische Rechtsmedizinerin mit einer exakten Wiedergabe der Empfehlungen seiner Geschlechtsgenossen in den Freierforen zu belasten, die ihn auf die sogenannte rote Russin brachten. Jedenfalls scheint sie unter denen als echter Knaller zu gelten.
    Wieder nickt die Petrowa. Allmählich wird Manni ihr hartnäckiges Schweigen unheimlich.
    Â»Alles in Ordnung?«
    Ihr Gesicht schimmert bläulich im Widerschein der Armaturen, ihre Augen funkeln wie schwarze Glut.
    Â»Soll ich mich jetzt verstecken?« Sie entfaltet die Decke, die Manni auf dem Rücksitz bereitgelegt hat, rutscht auf den Boden, ohne seine Antwort abzuwarten. Manni löst seinen Sicherheitsgurt, dreht sich nach hinten und hilft ihr, die Decke über sich zu breiten.
    Â»Wenn diese Irina merkt, dass ich Polizist bin, wird sie nichts sagen«, wiederholt er dabei noch einmal. »Du suchst Swetlana, ich helf dir dabei, rein privat, das ist unsere Version. Ich hol Irina ins Auto, tu erst mal so, als sei ich ein Freier, und erst wenn ich den Motor ausschalte und anfange, nach Swetlana zu fragen, gibst du dich zu erkennen und übersetzt, okay?«
    Das Ja der Rechtsmedizinerin wird von der Decke gedämpft, die sie nun vollständig über sich gezogen hat.
    Â»Wir müssen sehr vorsichtig sein, dürfen sie auf keinen Fall verschrecken«, sagt Manni eindringlich.
    Die Antwort der Rechtsmedizinerin ist ein dumpfes Hmpf. Nun denn. Manni checkt ein letztes Mal die Straße nach Anzeicheneines Audis, fährt dann stadtauswärts, auf den von roten Warnlichtern umkränzten Schlot der Müllverbrennungsanlage zu, dessen Silhouette im Nachthimmel wenig romantisch den Rotlichtbezirk Geestemünder Straße überragt.
    Die Verlagerung des Straßenstrichs auf eine städtische Industriebrache in diesem gottverlassenen Außenbezirk ist ein Kölner Erfolg nach holländischem Vorbild. Polizei, Hilfsorganisationen und Stadt schreiben ihn sich gemeinsam auf die Fahnen, denn entgegen allen Unkenrufen nehmen die Huren das Angebot an, wissen die häufige Präsenz von Streetworkerinnen des Sozialdiensts Katholischer Frauen und

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