Nacht ohne Schatten
jedenfalls augenblicklich in den Fängen von Popolow. Ihr könnt euch denken, was folgte.« So viele Männer, hatte Olga geflüstert. Und einer hat Hunde. Judith schluckt, ein sinnloser Versuch, die Beklemmung in ihrer Brust zu lindern. »Massenvergewaltigungen, massive Bedrohung mit Waffen und Hunden. Natürlich nahm Popolow ihnen sofort die Pässe weg, behauptete, sie müssten die Reisekosten abarbeiten, drohte, ihren Familien mitzuteilen, dass sie als Huren arbeiteten, wenn sie nicht spurten.«
Niemand sagt etwas, niemand wendet den Blick von Judith. Sie setzt sich auf einen freien Stuhl, zwingt sich, ruhig und sachlich weiter zu berichten, was Olga ihr anvertraute.
»Irgendwann kam dann Wolfgang Berger ins Spiel. Als Kunde des Harem-Saunaclubs zunächst. Aber er hat Swetlanas Not erkannt, verliebte sich wohl tatsächlich in sie.«
Judith nickt Manni zu. »Der gute Freier, genau wie du sagtest. Er versprach, Swetlana zu heiraten und ihre vermeintlichen Schulden bei Popolow zu begleichen. 25 000 Euro. Ermuss Swetlana und Olga wirklich wie ein Retter vorgekommen sein.«
»Wolfi«, sagt Manni langsam. »Das Herzchen auf dem Foto ist also echt.«
»So echt wie Swetlanas Liebe zu ihm, die ja nun nicht gerade aus freien Stücken entstand.«
»Bleibt bei den Fakten bitte«, befiehlt Axel Millstätt.
»Berger hebt also seine Ersparnisse ab. 23 437 Euro in bar, wie wir wissen«, sagt Judith. »Er hat Swetlana dieses Geld gegeben, irgendwann nach dem 5 . Oktober.«
»Und?« Manni lehnt sich vor.
»Die Zeugin Olga schwört, dass Swetlana das Geld an Popolow gezahlt hat. Doch der lieà sie nicht frei, sondern verkaufte oder vermietete sie stattdessen an Baldi.«
»Warum?«
»Olga sagt, um Swetlana zu bestrafen, weil sie vor Berger schlecht über ihn geredet hätte. Auf einmal war sie nicht mehr da.« Judith blättert in ihrem Notizbuch, malt mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, liest dann vor, was ihr die Solwodi-Dolmetscherin von Olgas Aussage übersetzte. »Popolow ist so, wer ihm nicht gehorcht, wird bestraft. Mädchen werden zum Gangbang gezwungen. Andere an Hardcore-Clubs verliehen. Er sagt immer, er tut das, damit wir begreifen, wie gut es uns bei ihm geht.«
Keiner der Männer kommentiert das, selbst Makowski hält den Mund.
Judith räuspert sich. »Mir ist noch nicht klar, was genau Berger danach getan hat. Hat er geglaubt, dass Swetlana ihn betrogen und sich mit seinem Vermögen abgesetzt hat? Olga vermutet, dass Popolow ihm den Zutritt zum Club verweigert hat, sie hat Berger jedenfalls nie mehr dort gesehen. Doch wie wir wissen, hat Berger sich ein paar Wochen später auf die S 5 versetzen lassen. Ich denke, weil er herausgefunden hatte, dass Swetlana in der Pizzeria war. Aber bevor er etwas unternehmen konnte, wurde er ermordet. Olga wusste von alldem nichts,sie wusste nicht, wo Swetlana war, nichts vom Brand in der Pizzeria. Mein Eindruck ist, dass sie seit Swetlanas Verschwinden viel zu verängstigt gewesen ist, um irgendwelche Fragen zu stellen. Kurz vor Weihnachten gelang ihr die Flucht aus Popolows Club. Momentan hält sie sich in den Räumlichkeiten einer Schutzorganisation auf, dort habe ich sie befragt.«
»Wieso hat Popolow Swetlana gerade an Baldi verkauft?«, will Makowski wissen. »Und wieso zündet er die Bude dann an?«
»Ich weià es nicht«, sagt Judith. »Vielleicht geht der Brand ja wirklich aufs Konto der Mafia.«
»Oder die Albaner und Popolow arbeiten zusammen.«
»Wir brauchen diese Olga, jetzt sofort.« Millstätt sieht aus, als habe er vor, Swetlanas Leidensgefährtin höchstpersönlich zu vernehmen.
Judith schüttelt den Kopf. »Das geht nicht. Sie ist noch nicht in der Verfassung auszusagen, wird es vielleicht niemals sein.«
»Keine Spielchen jetzt, wo ist sie?«
Das Auge des Taifuns. Cora. Die alten Ideale. Grüne Wellen, Schiffstrümmer, Würmer, die Lust am Untergang. Judith verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ich habe versprochen, Olgas Aufenthaltsort nicht zu verraten.«
»Verdammt, Judith, das dulde ich nicht.«
Jedes von Millstätts Worten ist wie ein Peitschenschlag.
* * *
Ekaterina steht ganz still. Jemand war in ihrem Arbeitszimmer. Nicht einer ihrer Kollegen. Das, was sie wahrnimmt, ist eine fremde Energie. Langsam, Schritt für Schritt, geht sie auf und
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