Nacht ohne Schatten
auf eine Verbindung zwischen ihr und Popolow, oder?«
»Nein, noch nicht.« Er will das nicht schon wieder durchkauen, tut es doch.
»Es gibt, wie wir wissen, auch keine UnregelmäÃigkeiten auf ihren Konten«, fährt Judith Krieger fort.
»Im liegenden Gewerbe bezahlt man bar.«
Seine in Ungnade gefallene Kollegin schüttelt den Kopf. »Nada ist exakt seit der Nacht verschwunden, in der Berger ermordet wurde. Zwei Tage zuvor hat sie in ihrem Atelier heftig mit einem Mann gestritten und ist von ihm geschlagen, vermutlich auch vergewaltigt worden. Gleich am Morgen danach hat sie sich das Schnitzmesser geliehen, mit dem Wolfgang Berger erstochen wurde.«
»WeiÃt du das sicher?«
»Ziemlich, ja.«
Manni überlegt. »Berger war Nadas Kunde, er läuft aus dem Ruder. Sie sticht ihn nieder.«
Die Krieger runzelt die Stirn. »Eine Tat im Affekt? Warum dann auf den Gleisen?«
»Nicht Affekt, sondern Rache.« Manni angelt ein Fishermanâs aus der Hosentasche, schiebt es mit der Zunge in die Backe. »Wie auch immer. Popolow hat auf jeden Fall das stärkereMotiv, Berger zu töten, immerhin wollte der ihm eins seiner Pferdchen ausspannen.«
»Swetlana, ja. Aber warum sollte Popolow auch sie umbringen?«
»Vielleicht haben sie und Berger sich doch wieder verbündet, vielleicht sogar mit Baldi.«
»Möglich, ja. Aber die Tatwaffe stammt eindeutig aus Nadas Atelier. Es muss also eine Verbindung geben.«
Manni denkt an die Panik der roten Russin und an die schockstarre Kleine. Er fragt sich, wie die Krieger wohl reagieren würde, wenn er ihr von seinen Recherchen erzählte, kommt zu keinem Schluss. »Popolow ist auf jeden Fall ein mieser Frauenschinder.«
Die Krieger seufzt, saugt an ihrem Glimmstängel. »Ja, ohne Zweifel. Aber ist er auch unser Mörder?«
Unser, nicht mehr deiner. Aber das sagt Manni nicht laut.
»Vielleicht ist es eine Frage der Perspektive. Wohin du schaust, welche Wirklichkeit du siehst.« Sie tritt ihre Zigarette aus, dreht sich sofort eine neue. »Berger beobachtet die Pizzeria wegen Swetlana. Doch der Mann, der Nada in ihrem Atelier umbringt, weià das nicht. Für ihn sieht es so aus, als beobachte Berger ihn.«
»Und deshalb muss er sterben.«
»Wäre doch möglich.«
Manni schüttelt den Kopf. »Die Spurenlage spricht gegen deine Theorie, Judith. Nur Bergers Blut ist an der Tatwaffe.«
»Der Täter kann ein anderes Messer benutzt haben, um Nada umzubringen. Er kann sie erwürgt oder erschlagen oder erschossen haben. Was auch immer es für Spuren im Atelier gab, er hat sie verbrannt. Solange wir Nada nicht finden, können wir nur spekulieren.«
»Es geht aber nicht um Spekulationen, es geht um Fakten, ganz konkret.«
»Ich spreche von Fakten. Der Mord an Berger wurde nicht von einem Profikiller verübt. Der Brand im Atelier wurde laienhaftgelegt. Nur in der Pizzeria waren Profis am Werk.« Die Krieger zündet die fertig gerollte Zigarette an, inhaliert tief. »Es gab Streit. Misshandlungen. Seitdem ist Nada verschwunden. Beziehungsdelikt nennt man das, ganz klassisch. Warum willst du das nicht sehen?«
»Weil es zu viele Verknüpfungen zwischen Popolow, Berger, Baldi und Swetlana gibt.«
»Es gibt auch auÃerhalb des Rotlichtmilieus Männer, die Frauen misshandeln und töten, Manni.«
Das wird ihm zu dumm, das braucht sie ihm nicht zu sagen. »Ich muss los«, sagt er.
Sie zieht an ihrer Zigarette, guckt durch ihn durch. Dann eben nicht. Er sprintet los.
»Hey, Manni, krieg das Schwein dran!«
Er wirbelt herum. Sie lehnt noch immer an ihrer Ente, grinst jetzt aber schief und formt das Victoryzeichen, fast wie ein Abschied für immer sieht das aus. Er hat überhaupt nicht gefragt, was sie jetzt tun wird, fällt ihm plötzlich ein, aber nun ist es zu spät, die Kollegen warten. Er denkt wieder an die schockstarre Kleine, an Swetlana und die rote Russin, während sie zum Saunaclub fahren. Adrenalin pumpt in seinen Adern, als sie durch den Eingang stürmen. Hass, blanker Hass beiÃt in ihm, als er erkennt, dass das Hinterzimmer, in dem er die verängstigte Kleine befragt hat, tatsächlich einsehbar ist. Hass, der sich noch steigert, als Popolow und seine Ladys und Türsteher unisono versichern, dass es diese Kleine niemals gegeben habe.
Lässig und höflich sitzt Igor Popolow
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