Nacht ohne Schatten
das Hirn zermartere«, sagt sie.
Und andere dürfen derweil die Deppenarbeit verrichten, denkt Manni, verdrückt sich aber in sein Büro, ohne das laut auszusprechen. Untätigkeit kann man Judith Krieger ja nun wirklich nicht vorwerfen, eher das Gegenteil. Und davon abgesehen läuft es auch ohne einen weiteren Streit mit ihr nicht gut. Nicht in Mannis Privatleben, in dem die einzige aktive Anruferin wieder einmal seine Mutter ist, und nicht bei den Ermittlungen der Soko S-Bahn. Immer noch haben sie die Identität des Komamädchens nicht geklärt. Sie haben einen russischstämmigen Kollegen auf die Kölner Russenszene angesetzt, Diddl Makowski lässt all seine Kontakte ins Rotlichtmilieu spielen. Vergeblich bis jetzt, absolut ohne Erfolg, und auch das Verhältnis des Mädchens zu den beiden ermordeten Männern ist nach wie vor ungeklärt. Manni rollt mit dem Schreibtischstuhl an die Wand, lehnt sich zurück, stemmt die Nikes gegen die Schreibtischkante. Unterhalb seines linken Schulterblatts spürt er ein verhaltenes Ziepen, da wo die Stuhllehne in seinen Rücken drückte, während sie es in Sonjas Küche trieben. Manni verändert seine Sitzposition nicht. Starrt auf die plattnasigen Hundegesichter seines Kollegen, fühlt sich merkwürdig leer.
Die Stimmung im Konferenzraum, wo sie sich eine halbe Stunde später zum Morgenappell versammeln, tut nichts, um seine Laune zu heben. Die Luft wirkt bereits flau, bevor der Erste den Mund aufmacht, der Frust über das Auf-der-Stelle-Treten ist beinahe greifbar, das alte Lied: Sie sind überarbeitet,haben zu wenige Leute für zu viele Spuren, die es zu verfolgen gilt.
Auf Millstätts Geheià hin macht Judith Krieger den Anfang, fasst die Vernehmungen des obdachlosen Tatverdächtigen Gregor Schmidt zusammen, all die Indizien, die ihn belasten, sogar eine Ortsbegehung hat sie mit ihm gemacht. Sie wirkt angespannt, auch wenn es dafür keinen ersichtlichen Grund gibt, hat wieder den braunen Lippenstift aufgetragen, der ihr sommersprossiges Gesicht noch blasser wirken lässt. »Ich habe Zweifel«, sagt sie am Ende. »Ja, Gregor Schmidt war am Tatort Wolfgang Berger, das hat er zugegeben, das belegen die Spuren, und unser Zeuge hat ihn identifiziert. Doch er leugnet vehement, Berger ermordet zu haben, und davon abgesehen gibt es immer noch zu viele offene Fragen: Was war Schmidts Motiv? Wo ist Bergers Rucksack? Und â vielleicht am wichtigsten: Warum sollte Schmidt auch den Brandanschlag auf die Pizzeria verübt haben?«
»Der Pizzabäcker hat ihn gesehen«, schlägt Manni vor.
»Luigi Baldi selbst hat das mir gegenüber bestritten«, widerspricht Judith. »Und wenn es so wäre â wieso sollte Schmidt 24 Stunden warten und damit riskieren, dass Baldi in dieser Zeit zur Polizei geht?«
Klaus Munzinger steht auf. »Das Endergebnis der brandtechnischen Ermittlung deutet darauf hin, dass wir es in der Causa Baldi mit mehreren Tätern zu tun haben könnten, und zwar mit Profis. Der oder die Täter besaÃen entweder einen Schlüssel zur Pizzeria oder professionelles Einbruchswerkzeug, und als sie gegangen sind, haben sie hinter sich abgeschlossen. Vor allem aber: Sie haben nicht nur einen hochprofessionellen Brandbeschleuniger verwendet, sondern auch noch mit zwei zeitversetzt ferngesteuerten Zündern gearbeitet und sehr gezielte Brandschneisen da hingelegt, wo sie maximale Wirkung erzielen konnten: in Baldis Schlafzimmer, ins Treppenhaus und in die Küche, direkt zu den Gasleitungen, die übrigens so manipuliert waren, dass Gas austrat.«
Rascheln und Gemurmel ist die Antwort. Jemand pfeift durch die Zähne.
»Gregor Schmidt behauptet, Bergers Mörder gesehen zu haben, durch ihn überhaupt erst auf den Toten aufmerksam geworden zu sein«, sagt Judith langsam. »Sehr gut beschreiben kann er den aber nicht. Ein mittelgroÃer Mann sei es gewesen, in einem teuer wirkenden, dunklen Wollmantel.«
Ein paar Kollegen lachen. Diddl Makowski fixiert die Krieger mit zusammengekniffenen Augen. »Trug er auch einen schwarzen Hut?«
Judith Krieger erwidert Makowskis Blick, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich hatte diese Aussage bislang nicht ernst genommen, hielt sie für eine Schutzbehauptung. Klausâ Bericht lässt das in einem anderen Licht erscheinen.«
»Inwiefern?« Axel Millstätts Intervention ist mehr ein Befehl zum
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