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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Manni in die Augen. Doch bevor er ihr klarmachen kann, dass diesmal wirklich der Anfänger dran ist, schaltet sich Millstätt ein. »Also, wie geht ihr weiter vor?«
    Â»Ich dachte, ich kümmere mich mit Diddl um unser Komamädchen«, sagt Manni langsam. »Wenn sie angeschafft hat, ist sie wahrscheinlich irgendwem im Milieu bekannt.«
    Â»Wir sind schon dünn besetzt. Ich glaube nicht, dass uns ein Streifzug zweier Kollegen durch Kölns Bordelle zu diesem Zeitpunkt weiterbringt«, widerspricht die Krieger und hat wieder ihren Gouvernantenblick, offenbar ein Automatismus, wenn es ums Geschäft mit der Liebe geht.
    Â»Das mit dem Mädchen ist wichtig.« Aus irgendeinem Grund muss Manni plötzlich an Sonja denken, wie sie ihn angesehen hat, als er von ihren anderen Kunden sprach.
    Es ist jetzt so still im Besprechungsraum, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Wieder ist es Diddl Makowski, der das Schweigen bricht.
    Â»Wer hat hier eigentlich das Sagen?«, fragt er und fährt sich mit der Rechten über den kahlen Schädel. »Nur mal so aus Interesse gefragt, weil ich ja neu bei euch bin.«
    Axel Millstätt steht auf. »Ich leite diese Ermittlungen. Morgen ist dann Holger Kühn wieder da und wird uns als mein Stellvertreter unterstützen.«
    Jetzt ist es also raus. Nicht Judith Krieger macht den Aufstieg, sondern ausgerechnet Holger. Hat sie das gewusst, oder ist das eine spontane Reaktion auf ihre Alice-Schwarzer-Reden? Sie beißt sich auf die Unterlippe, blättert in ihren Unterlagen, während Millstätt die anstehenden Aufgaben skizziert, ein Extrateam »Rimini« bildet, weitere Zuständigkeiten benennt. Ich weiß eigentlich nichts von ihr, denkt Manni, obwohl wir im letzten halben Jahr fast täglich zusammengearbeitet haben. Er versucht ihren Blick einzufangen, vergebens. Denkt an den letzten Sommer, die atemlose Hatz nach dem verschwundenen Jungen. Wie sie im Dreck kniete und den Jungen streichelte, als sie ihn endlich gefunden hatten. Wie gelöst sie ausgesehen hatte, als sie nach ihrer Auszeit zurück ins KK 11 gekommen war, ja regelrecht sexy. Wie sie ihn unterstützt hatte, wieder ins KK 11 zurückzukehren. Irgendetwas ist seitdem passiert, irgendwann ist das Weiche wieder verschwunden, wurde sie wieder unnahbar. Er fühlt sich plötzlich wie ein Schwein, das seine Teampartnerin auflaufen ließ.
    Er will sie aufhalten nach der Konferenz, irgendwas sagen, aber sie lässt ihn einfach stehen, nimmt ihren Ledermantel und hetzt grußlos die Treppe runter. Manni geht zurück in sein Büro, wirft sich auf seinen Stuhl, fühlt wieder die Druckstelle im Rücken, dann, völlig unpassend, die Erinnerung an seine Geilheit fast körperlich, ein leises Ziepen in der Lendengegend. Er muss Sonja anrufen, ihr sagen, dass er sie wiedersehen will. Warum hat sie ihn nicht zurückgehalten, als er vorgestern Nacht gegangen ist? Es ist ein Rätsel, beinahe ebenso unmöglich zu lösen wie all die offenen Fragen der Soko S-Bahn, die es zu beantworten gilt, und aus irgendeinem verdammten Grund fühlt sich das Ganze so an, als könne er nicht gewinnen.
    * * *
    Kalte Luft weht durch die Fensterritzen. Steinmehl tanzt in der Lichtsäule des Deckenstrahlers. Thea Markus bemerkt es kaum. Starr wie ein Fels steht sie in der Steinwerkstatt, den Meißel in der einen Hand, den Gehstock in der anderen. Es kann nicht sein, ich halluziniere, denkt sie. Oder aber ich bin soeben aus einem Fiebertraum erwacht. In der Mitte des Raums liegt der Sandsteinblock, an dem sie in den letzten beiden Tagen gearbeitet hat, genauso, wie sie ihn am Abend zuvor zurückgelassen hat. Trotzdem sieht Thea ihn auf einmal mit neuen Augen, erkennt, dass das, was sie erreicht zu haben glaubte, das Ziel, auf das sie mit so viel Zuversicht hingearbeitet hat, nichts ist als Illusion. Die Perspektive! Sie klammert sich an dieses letzte Fünkchen Hoffnung, hinkt ein paar Schritte zur Seite, schließt die Augen, atmet tief durch, öffnet sie wieder. Es bleibt dabei. Das, was sie geschaffen hat, ist schlecht, viel zu gegenständlich, ja beinahe kitschig, die Wellenlinien, die sie gemeißelt hat, sind zu dominant, auch ein Treibholzflügel kann da nichts retten, im Gegenteil.
    Schmerz wütet in Theas Knie, als sie sich abrupt abwendet und fliehen will. Unwillkürlich schlägt sie die Hand auf denMund, beißt auf den Ballen, um

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