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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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irgend jemanden, Brahim. So laufen die Dinge nun mal. Du brauchst dir nicht verarscht vorzukommen. Wenn man eine Uniform trägt, legt man seine Selbstachtung ab. Außerdem sind das zwei Haltungen, die nicht miteinander vereinbar sind. Es bringt nichts, sich den Kopf zu zermartern. Du bist Bulle, und wie alle Bullen gehst du dahin, wohin man dich schickt. Wenn du ermittelst, machst du deine Arbeit, aber du folgst nicht unbedingt einer Berufung. Versuch vor allem nicht, hinter die Kulissen zu schauen. Dir würde speiübel werden.«
    »Ich bin keine Marionette.«
    »Genau das ist dein Irrtum, Brahim. Wir sind nur Figuren auf einem Schachbrett. Mal angenommen, du hättest recht und Haj Thobane wäre liquidiert worden - wo liegt dein Problem? Das ist eine Angelegenheit, die die Großen unter sich aushandeln. Das Fußvolk ist dabei nicht gefragt. Sie tun, was sie wollen, verdammt noch mal! Und dich haben sie bei ihrer letzten Entschlackungskur ein bißchen mitmachen lassen. Aber jetzt ist die Wasserspülung gezogen. Du wischst dich ab, gehst nach Hause und siehst zu, daß du die Tür hinter dir ordentlich zuschließt, basta. Ist doch nicht so schwierig, oder?«
    »Ausgerechnet du hältst mir solche Reden, Dine?«
    »Was hast du denn erwartet, Brahim? Daß ich dir zu deinem Scharfblick gratuliere? Wenn du glaubst, daß ich dir zurede, in die Höhle des Löwen zu gehen, dann hast du dich getäuscht. Meine Arbeit hört da auf, wo das Hoheitsgebiet der Götter beginnt. Solange meine Chefs mir befehlen, eine Sache zu verfolgen, mach ich weiter. Wenn aber plötzlich Funkstille angesagt ist, leuchtet in meiner Birne eine rote Lampe auf. Ich kenne meine Grenzen. Ich hab mich auch schon mal auf undurchsichtige Fährten begeben. Und dann stößt man plötzlich auf verbotenes Gelände. An der Stelle muß man zum Rückmarsch blasen. Ich bin weder ein Prophet noch ein Weltverbesserer. Ich bin Polizeikommissar und gehorche Befehlen. Punkt. Aus. Ende.« Er packt mich am Handgelenk. »Ganz unter uns, Brahim, wärst du denn in der Lage, denen das Wasser zu reichen? Sie haben gerade einen Mann ausgeschaltet, den man für unschlagbar hielt. Einfach so, auf einen kleinen Wink hin. Er hatte auf allen Ebenen Freunde und überall seine Schäfchen. Besser beschützt als ein Hochsicherheitstrakt. Und nun sieh dir an, was für eine Ruine sie daraus gemacht haben. Von einem Tag auf den anderen, so als hätte er niemals existiert . Das ist nicht unsere Welt. Das ist zu hoch für kleine Lichter wie uns. Hör auf mich, Brahim, gib's auf. Du bist nur eine Fliege, die um den Hintern einer Kuh schwirrt, schon ein kleiner Furz würde dich in Stücke reißen. Und wenn du noch einen Rat willst, erzähl niemandem, was du mir eben anvertraut hast. In unserem Land ist Vertrauen der erste Schritt ins Verderben.«
    Der Kellner bringt unsere Steaks mit Pommes frites und verschwindet wieder.
    »Du hast mir den Appetit verdorben.«
    »Tut mir leid«, sage ich und pieke mit der Gabel in ein Kartoffelstück.
    »Ehrlich, Brahim, was reitet dich eigentlich immer, dir solche Scherereien aufzuladen?«
    »Sagen wir, daß ich eine etwas andere Vorstellung von Anstand habe als du.«
    »Ich bin anständig.«
    »Ach so?«
    »Zuallererst zu mir selbst. Seine Grenzen kennen heißt sie nicht überschreiten.«
    Er steht auf.
    »Du gehst?«
    »Ich verzieh mich, Brahim. Ich werde jetzt gleich zwei Wochen Urlaub beantragen, um mich so weit wie möglich vor deinem Unfug in Sicherheit zu bringen.«
    Er wirft seine Serviette weg, wie man das Handtuch wirft, geht zahlen und verläßt das Restaurant, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen.
     
    Ich fühle mich ein bißchen mir selbst überlassen, wie eine in der Natur umherirrende Spore. Soria Karadach hat noch kein Lebenszeichen von sich gegeben, Cherif Wadah, sagte man mir, sei im Ausland, der Direx schiebt im Kurbad Hammam Righa eine ruhige Kugel, die Zentrale erinnert an einen allen Stürmen ausgesetzten Ort, und Algier scheint in einer Zwangsjacke zu stecken. Ich bin noch mal zu Lino in die Klinik gefahren. Ersieht noch immer blaß aus, aber er kehrt Schritt für Schritt ins Leben zurück. Unsere Unterhaltung hat nicht lange gedauert. Ich habe mich auf die Bettkante gesetzt, und wir haben uns angeguckt, ohne die richtigen Worte zu finden.
    Ich habe meine Arbeit wiederaufgenommen wie die sprichwörtliche Halima ihre guten alten Gewohnheiten. Nicht zu früh am Morgen und nicht zu spät am Abend. Das heißt nicht, daß ich

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