Nacht über Algier
das wird für uns alle verhängnisvolle Auswirkungen haben.«
»Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihren Ängsten und dem Foto, das Sie mir geschickt haben?«
»Dieses Foto hat keinerlei Bedeutung. Es sollte lediglich Ihre Neugier wecken und Sie in dieses Restaurant locken. Es lag mir viel daran, daß Sie die Historikerin und den Schweinehund mit eigenen Augen Arm in Arm sehen. Seit ein paar Monaten treten sie als Paar auf . Nein, nein, keine große Liebe, lediglich die Komplizenschaft bringt sie einander näher, und der Eigennutz schweißt sie zusammen . Lassen Sie die ganze Geschichte noch mal von Anfang an Revue passieren, dann werden Sie dahinterkommen, welche Rolle die beiden darin spielen, Monsieur Brahim Llob.«
Er legt den Hörer auf.
Ich pfeife den Pinguin heran und bitte ihn, mir Namen und Adresse meines Wohltäters zu nennen. Er läßt mich wissen, daß er nicht berechtigt sei, mir derartige Auskünfte zu erteilen. Da ich mit einem Skandal drohe, holt er schnell den Geschäftsleiter. Letzterer setzt mir auseinander, daß die Person, die mich eingeladen hat, sich nicht zu erkennen geben möchte und eines der Grundprinzipien des »Les Pyramides« darin bestehe, sich strikt an die Wünsche seiner Gäste zu halten. Sein Lächeln ist leutselig, aber sein bohrender Blick sagt mir, daß ich mehr Chancen hätte, den Biß einer Kobra zu überleben als eine Umarmung von ihm.
»Na schön, ich habe verstanden«, lenke ich ein.
»Sie würden noch mehr Verständnis beweisen, wenn Sie woanders essen gingen, Monsieur.«
»Ich bin Polizeikommissar«, gebe ich ihm zu verstehen.
»In diesem Restaurant befinden sich zwei Minister und drei hohe Regierungsvertreter. Sie wünschen einen wunderschönen Abend zu verbringen, und wir haben dafür zu sorgen, Monsieur.«
»Sie meinen, daß ich kein Recht mehr auf mein Essen habe?«
»So ist es, Monsieur.«
»Okay«, sage ich und tue so, als würde ich den Tisch wegschieben.
Befriedigt hebt der Chef den Kopf und wartet mit entschiedener Miene, daß ich das Feld räume. Fehlanzeige! Blitzschnell greife ich ihm zwischen die Schenkel und drücke fest zu. Der arme Idiot zuckt zusammen, sein Körper kippt nach hinten, starr vor Schmerz. Da er weder schreien noch sich befreien kann, verharrt er in einer grotesken Stellung zwischen Kniebeuge und dem Purzelbaum eines Fakirs.
»Deine Minister, die können mich mal. Deine Eier, genauso wie dein Schicksal, liegen jetzt in meiner Hand. Willst du dich nun bei mir entschuldigen und mich mit der allergrößten Zuvorkommenheit bedienen oder mit zermatschten Eiern in der Hose nach Hause gehen?« raune ich ihm ins Ohr.
»Monsieur«, stöhnt er mit rauher Kehle, »ich bitte Sie, benehmen Sie sich .«
»Das sind nicht die Töne, die ich hören will.«
Er schluckt und schlottert vor Schmerz, versucht standhaft zu bleiben, geht schließlich in die Knie.
»Ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen, Monsieur«, haucht er.
»Herr Kommissar«, souffliere ich ihm.
»Herr Kommissar.«
»Herr Kommissar, was?«
»Ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen, Herr Kommissar.«
»Na siehst du, geht doch.«
Ich lasse ihn los, stehe auf und schwirre erhobenen Hauptes ab.
Auf dem Vorplatz komme ich an einem großen Fenster vorbei, hinter dem sich die beiden Turteltäubchen zuprosten. Als sie ihr Glas gerade zum Mund führen will, entdeckt Soria mich direkt vor sich. Ihr Gesicht verfinstert sich. Ich zwinkere ihr zu und verschwinde, noch bevor sich Ghali Saad umdrehen kann.
Ich habe die Kaderakte von Soria Karadach genauestens unter die Lupe genommen. Drei Tage lang. Nichts Kompromittierendes. Ganz im Gegenteil, die Laufbahn der Akademikerin ist mit Lorbeeren geschmückt. Glanzvolle Schulzeit in einem Waisenhaus - sie war die Tochter eines Chahid, eines Märtyrers, der im Befreiungskrieg gefallen ist. Beste ihres Jahrgangs an der Ben Aknoun. Verbindungen zu den renommiertesten Hochschulen Europas. Leitet eine militante Vereinigung, die sich »Die Wachablösung« nennt. Unterstützt kleine Gruppen der »Revolutionären Jugend«. Ihr Chefredakteur verehrt sie. Der Rektor der Universität verneigt sich vor ihren Verdiensten. Tadelloser Ruf sowohl im Privat- wie im Berufsleben.
Wieso schläft eine Heilige mit dem Teufel?
Ghali Saad ist nicht für seine außerordentliche Bildung bekannt. Er hat gerade mal die mittlere Reife. Er war zunächst ein kleines Licht auf einem Verwaltungsposten in einer untergeordneten Abteilung.
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