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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Feuer. Nicht ihre außerordentliche Schönheit bringt mich indes aus dem Konzept, sondern die Art, wie sie an diesem Typen klebt, als wollte sie mit ihm verschmelzen. Wie kann sich eine so bemerkenswerte Frau wie Soria Karadach, Universitätsprofessorin von Rang und Namen und für mich die moralische und intellektuelle Anständigkeit in Person, vor aller Augen an einen Kerl wie Ghali Saad schmeißen?
    Der Pinguin geleitet sie ans hintere Ende des Saals, wo ihre Intimität durch eine niedrige Mahagoniwand vor neugierigen Blicken geschützt ist. Bevor sie verschwinden, legt Ghali seinen Arm um die Taille der Historikerin, ihr Kopf ruht auf der Schulter des Mannes, der in allen heiklen Angelegenheiten der Republik den Ton angibt.
    Ich fahre zusammen, als die Serviererin, die ich nicht habe kommen sehen, mir das Telefon reicht.
    »Für Sie, Monsieur.«
    Verdutzt nehme ich den Hörer entgegen.
    »Si Brahim?«
    »Ja.«
    »Da staunen Sie, was?«
    »In der Tat!« gebe ich zurück und versuche mich zu fangen. »Sind Sie mein Gastgeber?«
    »Tut mir leid, daß ich mich verspätet habe. Aber warten Sie nicht auf mich. Heute abend werden Sie allein essen. Keine Sorge, Sie sind eingeladen.«
    »Was soll der Spaß?«
    »Das müssen Sie selbst rauskriegen, Kommissar. Geben Sie zu, daß Sie auf so etwas nicht gefaßt waren. Die berühmte Historikerin am Arm von Ghali Saad, diesem Mistkerl. Unbegreiflich, nicht wahr? ... Ich hab's nicht darauf angelegt, Sie zu manipulieren, Si Brahim. Das wurden Sie seit Beginn dieses ganzen Bluffs schon genug. Ich habe eher Mitleid mit Ihnen. Es stimmt, ich war stinksauer auf Sie, aber in einer vertrackten Situation folgt der Weise lieber der Vernunft als dem Herzen. Wir wissen, daß Sie mit den Hunden, die einen tapferen Sohn der Revolution wie Haj Thobane in den Selbstmord getrieben haben, nicht unter einer Decke stecken. Sie haben sich an diesem Komplott nur widerwillig beteiligt. Sie mußten Ihren Lieutenant retten. Übrigens ist Ihr Mitarbeiter nicht von ungefähr da gelandet. Er ist in die Falle getapst und hat Sie dann seinerseits in die Falle gelockt. Die Drahtzieher wußten, daß das einzige Mittel, Sie in diese Geschichte zu verwickeln, darin bestand, einen Ihrer Leute als Lockvogel zu benutzen. Da das Schicksal Ihres Lieutenants von Ihrem Einsatz abhing, waren Sie natürlich verpflichtet, den Dingen auf den Grund zu gehen. Und siehe da, er wurde ohne Prozeß und ohne Urteilsspruch freigelassen, als wenn nichts gewesen wäre .. Hallo? Sind Sie noch dran?«
    »Reden Sie weiter, das interessiert mich.«
    »Eine ganz üble Geschichte. Es gibt eine Menge Leute, die dahinter ein Komplott vermuten. Sicherlich kommt es in den Führungskreisen häufiger zu Abspaltungen, verständlicherweise, aber deswegen gleich den Tod eines Widersachers herauszufordern ... Damit verletzt man die Spielregeln.«
    »Aha, ein Spiel also.«
    »Das hab ich bloß so gesagt.«
    »Und was meinten Sie mit Komplott?«
    »Das springt doch ins Auge! Eine Historikerin, die die selbstmörderische Kühnheit besitzt, dem Kreis der Eingeweihten den Heiligenschein zu nehmen, so was hat es noch nicht gegeben. Sie konnte nicht allein agieren, sie hätte nicht die geringste Chance gehabt. Sie muß rundum abgesichert gewesen sein, von Ihnen ganz zu schweigen ... Haben Sie ihre Bücher gelesen?«
    »Keins.«
    »Ich empfehle Ihnen, mal einen Blick reinzuwerfen. Sie ergeht sich geradezu in Lobeshymnen auf die gesamte Führungsriege, entwirft phantastische Porträts von unseren höchsten Politikern, errichtet ihnen Denkmäler, die eines Mao oder Gandhi würdig wären. Nur ein Zai'm hat niemals Gnade in ihren Augen gefunden. Sie nennt ihn weder in ihren wissenschaftlichen Arbeiten noch in ihren Presseartikeln.«
    »Haj Thobane?«
    »Ganz genau. Aber, warum hatte sie es ausgerechnet auf ihn abgesehen? Warum hat sie ihn dermaßen verachtet, daß sie ihm das Recht absprach, unter unseren Helden aufgeführt zu werden, er, der untrennbar mit der heroischen Zeit vom November '54 verbunden ist? Ich verhehle Ihnen nicht, daß ich für diese Dame Haß empfinde, Monsieur Llob. Sie hat dazu beigetragen, daß ein großes Unglück auf uns zukommen wird.«
    »Wer sind Sie?«
    »Mein Name würde Ihnen nichts sagen. Ich stehe weder für einen Clan noch für eine bestimmte politische Überzeugung. Ich bin ein einfacher Algerier, der sich Sorgen um die Zukunft seines Landes macht. Ich weiß, daß die an der Spitze sich gerade bis aufs Messer bekriegen, und

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