Nacht über Algier
mein Glück. Sie platzen vor Neid. Und die Gläubiger, die bekommen ihr Geld bald zurück. Und noch etwas: Ich werde nicht ausgenommen. Stimmt, ich geb 'ne Menge Geld aus, aber nur für schicke Klamotten. Ich bezahle nichts in den Kneipen oder Clubs, das bezahlt alles sie, sie ist stinkreich, meine Liebste. Es geht ihr nicht um das Gehalt eines armseligen Bullen, nicht einmal um den Bullen, es geht ihr um den Menschen. Sie hat mich gefunden. Und sie liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Diesen Siegelring hier hat sie mir geschenkt. Weißt du, wie teuer der war? Schweineteuer. Und diese Kette aus massivem Gold auch, weißt du, wie teuer die war? Arschteuer. Und diese Rolex-Uhr ...«
»Und wenn ich mein letztes Hemd dafür hinlegen müßte, würde ich davon keinen Steifen kriegen. Es geht hier nicht um Rechnungen, es geht um einen Polizeibeamten, der es bedauerlicherweise an Einsicht fehlen läßt. Daß du im siebten Himmel bist, freut mich für dich. Aber deswegen zu glauben, daß du allein auf der Welt bist, ist unverzeihlich. Hier ist dein Schreibtisch, und du hast einen Haufen Arbeit. Du wirst deine Aufgaben erledigen, und damit basta. Danach kannst du tun und lassen, was du für richtig hältst.«
»Ich .«
»Es reicht, Lieutenant Lino. Ab sofort will ich dich während der Dienstzeit in deinem Büro sehen. Und jetzt, abmarsch!«
Lino zieht ab wie ein begossener Pudel, als Inspektor Serdj aufkreuzt. Während dieser auf der Schwelle stehenbleibt und nicht weiß, ob er eintreten oder später wiederkommen soll, kann ich das brüskierende Benehmen des Lieutenants verdauen. Schließlich biete ich ihm einen Stuhl an. Der Inspektor setzt sich und macht sich dabei so klein wie möglich. Sein Respekt mir gegenüber ist der Angst so ähnlich, daß ich ihn nie richtig einordnen kann. Er rückt seinen Stuhl mit einem solchen Quietschen vor, daß es ihm das Gesicht verzerrt, legt sein Notizheft auf den Tisch und blättert in seinen Aufzeichnungen, um mir Zeit zu lassen, wieder zu mir zu kommen.
»Was gibt's, Serdj?«
Er kratzt sich verwirrt an der Schläfe. »Es fehlt uns an Personal, Herr Kommissar. Die Abteilung von Lieutenant Chater ist zur Weiterbildung. Wir haben schon Leute aus anderen Abteilungen abgezogen. Die Aufgabe verlangt uns viel ab. Wir können die durchgängige Überwachung der Wohnung des Namenlosen nicht absichern. Ich habe selbstverständlich drei Informanten angeheuert. Sie geben sich als Erdnuß- oder Tabakverkäufer aus, aber abends müssen sie verschwinden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Unser Überwachungstrupp umfaßt zehn Mann, davon sind zwei Ermittler. Und die sind schon ziemlich fertig, verständlich, bei acht Stunden Wache neben dem regulären Dienst .«
»Was soll das heißen? Daß wir die Sache fallenlassen?«
»Ich weise Sie nur auf die gröbsten Schwierigkeiten hin, Herr Kommissar.«
»Dann versuch noch mehr Leute aufzutreiben. Guck dich doch um in diesem beschissenen Laden: Alle drehen sie Däumchen, wenn sie nicht gerade Schutzgelder von den kleinen Schwarzhändlern erpressen.«
»Die anderen Abteilungschefs weigern sich zu kooperieren. Sie sagen, daß sie eine schriftliche, vom Direktor abgezeichnete Anweisung brauchen.«
»Na schön, dann kommen wir eben ohne ihre verdammte Hilfe aus.«
»Und wie?«
»Das ist dein Problem, Inspektor.«
Serdj senkt den Kopf. Ich sehe auf seinen gebeugten Nacken, in dem sich weiße Haare kringeln. Es ist der erbärmlichste Nacken, der mir je unter die Augen gekommen ist.
»Ich will sehen, was sich machen läßt, Herr Kommissar.«
Ich stimme ihm brummend zu und fordere ihn auf, mir einen ausführlichen Bericht über den Verrückten zu liefern.
»Er hat seine Höhle nicht ein einziges Mal verlassen«, erzählt der Inspektor. »Er war nicht mal im Hof und vermeidet es, sich in der Nähe der Fenster aufzuhalten.«
»Ist jemand bei ihm?«
»Es wurde niemand bemerkt.«
»Wie lebt er denn, verdammt noch mal? Er muß doch irgendwas futtern, sich irgendwo was zu essen besorgen. Bist du sicher, daß er noch lebt? Vielleicht ist er ja abgekratzt, während deine Leute ihren Bauchnabel betrachtet haben.«
»Er ist nicht tot, Kommissar. Er geht nicht ans Fenster, aber wir haben ihn durch das Fernglas beim Beten gesehen. Ein einziges Mal, am zweiten Tag nach seiner Freilassung, ist der schwarze Schlitten aufgetaucht. Er hat nicht auf der Straße geparkt, sondern ist in die Garage gefahren und nach etwa dreißig Minuten wieder rausgekommen.
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