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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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mich nur schnell um, dann können wir losgehen.«
    »Mach dich bitte nicht zu schön. Du weißt, wie ich reagiere, wenn sie dich anstieren.«
    »Du Schmeichler, ich weiß genau, wie alt ich bin und daß sich niemand mehr nach mir umdreht.«
    Ich habe gerade meinen Kaffee ausgetrunken, als es an der Tür klopft. Es ist Fouroulou, ein Bengel aus dem sechsten Stock. Er zeigt mit dem Daumen hinter sich und teilt mir mit, daß mich unten am Hauseingang ein fetter grauhaariger Bougnoule [Schimpfwort für Araber] zu sprechen wünscht.
     
     
    Der Typ, der mich auf der Straße erwartet, trägt eine getönte Brille, einen nagelneuen italienischen Anzug, und auf dem Beifahrersitz seines glitzernden Mercedes lächelt eine Schönheit - trotzdem gelingt es ihm nicht, das Image des Provinzaufsteigers loszuwerden.
    Er betätigt die automatische Fensteröffnung und streckt mir wie ein Sultan, der die Huldigungen seines Hofstaats entgegennimmt, seine beringte Hand entgegen.
    »Ich hoffe, ich störe dich nicht«, blökt er scheinheilig.
    »Du würdest selbst eine Ratte in ihrem Grab stören.«
    Seine Wampe wird von einem kurzen Lachen geschüttelt, was ihn außer Atem bringt.
    »Verdammter Brahim, noch immer genauso höflich wie ein Furz in einer Yogasitzung.«
    »Was beweist, daß sich die Welt nicht verändert hat.«
    »Bist du sicher?«
    »Du willst mir doch nicht weismachen, daß du nicht mehr gern im Schlamm wühlst.«
    Er dreht sich zu seiner Begleitung um, um sich zu vergewissern, daß meine Worte sie nicht schockiert haben. Dann steigt er aus und nimmt mich beiseite.
    »Du solltest deinen Wortschatz mehr pflegen.«
    »Die Krankenversicherung zahlt so was leider nicht. Warum willst du mir meinen Abend verderben, Hadi Salem? Dein Kumpel, der Direx, sitzt mir schon genug im Nacken.«
    Hadi Salem war im selben Jahrgang wie ich auf der Polizeischule. Er wollte Polizist werden, damit er das Gesetz hinter sich hatte, wenn er es mal wieder übertrat. Allerdings machten es seine miserablen Noten unmöglich, ihn im operativen Bereich einzusetzen, wo die Katastrophen abzusehen waren. Er wurde auf einen Behelfsposten abgeschoben, seine Aufgabe beschränkte sich darauf, getürkte Rechnungen und Falschaussagen im Archivkeller abzulegen. Und dort, im Halbschatten der Abstellkammer, der seine finsteren Machenschaften begünstigte, lernte er, schmutzige Geschäfte zu machen und schließlich auch in großem Stil ans Werk zu gehen. Korrupte Chefs und angehende Mafiosi erkannten in ihm mit Entzücken ihren Mann. Man sah ihn häufiger bei zwielichtigen Bürgermeistern und in düsteren Spelunken als auf den Spuren eines Straftäters. Allmählich begann er die Bekanntschaft interessanter Leute zu machen, ihre kleinen Geheimnisse aufzuspüren und hier und da einzugreifen, um ein explosives Dossier zu den Akten zu legen oder Beweisstücke verschwinden zu lassen. Als er ein kleines Kapital angehäuft hatte, interessierte er sich für Immobilien, um so sein Schwarzgeld zu waschen. Bei seiner ersten Verhaftung konnte man ihm nichts nachweisen. Er fing an, seine Vorgesetzten zu schmieren, die, dankbar oder geködert, die Augen vor seinen Umtrieben schlossen. Sein Ruf eines Midas' erreichte die obersten Etagen der Hierarchie. Die Polizeibosse hielten ihn für verschwiegen und für einen hervorragenden Unterhändler, so daß sie ihm ihre kleinen Parallelgeschäfte anvertrauten. Im Verlauf eines Jahrzehnts machte er sämtliche einflußreichen Kader des Innenministeriums reich und kletterte so schnell nach oben wie eine Wüstenspringmaus. Erst Kommissar, dann Oberkommissar, landete er schließlich im Ministerkabinett als Berater für alles, Experte im Kungeln und Mauscheln jeglicher Art. Heute steht Hadi Salem an der Spitze einer hochsensiblen Sicherheitseinrichtung und verfügt über ein Vermögen, das sich über die Landesgrenzen hinaus tentakelartig ausgebreitet hat.
    Er holt ein Päckchen amerikanische Zigaretten hervor und bietet mir eine an.
    »Echte Marlboro, in Paris gekauft.«
    »Nein, danke, die schaden der Gesundheit.«
    »Hast du aufgehört zu rauchen?«
    »Nicht unbedingt, aber auf meiner algerischen Zigarettenschachtel stehen solche abschreckenden Hinweise nicht.«
    Amüsiert betätigt er sein Feuerzeug aus massivem Gold und bläst mir den Rauch ins Gesicht. Schließlich setzt er eine ernste, betretene Miene auf.
    »Brahim, ich bin gekommen, um mit dir wie mit einem Bruder zu reden.«
    »Ich wußte gar nicht, daß meine Mutter noch andere

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