Nacht über Algier
Bett mit bestickten Kopfkissen und seidenen Bezügen, unter denen man die schönsten Kinder der Welt zeugen würde.«
»Gib zu, daß er ein verdammt unwiderstehlicher Charmeur war, der Bulle, denn am Abend vor den Prüfungen hast du, anstatt noch einmal den Stoff durchzusehen, seine Flunkereien auswendig aufgesagt.«
»Er hatte so viel Charme wie ein Fakir, aber mein Vater, der auf einem Ohr taub war, hielt ihm lieber das andere hin, anstatt auf mich zu hören.«
Ich schlage ihr lachend aufs Knie. Oft habe ich mich gefragt, was aus mir geworden wäre, wenn Mina mich nicht geheiratet hätte. Sie ist mehr als meine Frau, sie ist mein guter Stern. Allein sie neben mir zu spüren erfüllt mich mit Selbstvertrauen und Mut. Es ist verrückt, wie sehr ich sie liebe, aber in einem Land, wo sowohl der Harem als auch das Gesetz über unsere Gefühlsregungen wachen, wäre es noch verrückter, es ihr zu gestehen.
Das alte Gebäude, in dem Monique wohnt, steht an einem Platz mit zerstörten Bänken. Zur einen Seite versperren Häuser von abstoßender Häßlichkeit den Weg zum Meer. Zur anderen schafft die schmucklose Mauer einer Schule gebührenden Abstand.
Moniques Wohnung befindet sich im fünften Stock. Ich klingle. Das Türschloß klickt, und vor uns erscheint Mohand. Er wirkt richtig feierlich in seinem Aufzug eines gebildeten Proletariers.
»Habt ihr euch verfahren?« fragt er mit Blick auf seine Uhr.
»Nur einen Platten. Das Problem war, daß der Werkstattmeister einen Gipsarm hatte.«
»Wirklich sehr ärgerlich.«
»Läßt du uns rein?«
»Oh, Verzeihung.« Er tritt zur Seite.
Die Wohnung sieht genauso aus wie die Buchhandlung. Überall Bücher, in den Regalen, auf den Stühlen, in jeder Ecke. Über dem Kamin lächelt ein Porträt von Kateb Yacine zu einem Gemälde von Issiakhem hinüber, und in einem heillosen Durcheinander von undefinierbaren Statuen und Antiquitäten stapeln sich Bücher, Manuskripte und nochmals Bücher.
Mohand nimmt uns unsere Kekstüte ab und führt uns zu einem zerschlissenen Sofa unter dem Fenster.
»Das Spiel hat noch nicht begonnen«, beruhigt er mich.
»Um so besser. Wo steckt denn deine Alte?«
»Hier stecke ich«, brüllt Monique aus der Küche. »In zwei Sekunden bin ich da.«
Bevor sie sich setzt, wirft Mina mir einen mißbilligenden Blick zu. Ich zwinkere ihr zu und gebe ihr zu verstehen, daß sie ihre Hemmungen hier gleich vergessen kann. Wenn ich bei Monique bin, dann vor allem, um herumzufrotzeln.
Mohand kommt mit einem Korbstuhl an, setzt sich in eine Ecke und verschränkt die Arme wie ein Schüler, der artig auf sein Vesperbrot wartet. Mit ihm hat man kaum eine Chance, seinen Spaß zu haben. Er kann dasitzen, den Blick ins Leere richten und stundenlang in Schweigen verharren. Um nichts in der Welt möchte ich mit ihm auf einer einsamen Insel stranden.
Er ist nicht imstande, ohne einen Text vor Augen ins Bett zu gehen. Böse Zungen erzählen sogar, Mohand strecke die Hand nach Moniques Möse nur aus, um seinen Finger anzufeuchten, damit er die Seiten seines Schmökers besser umblättern kann.
»Interessierst du dich wirklich für Fußball?« frage ich ihn.
»Was glaubst denn du?«
»Gibt es noch andere Sachen, die du mir verschweigst?«
»Das hängt davon ab, was du hören willst«, antwortet er mir ohne Ironie.
»Habe ich dir schon die Geschichte von dem Totengräber erzählt, der Höhlenforscher werden wollte?«
»Ich denke nicht.«
»Wenn deine Frau einverstanden ist, spare ich sie mir fürs Dessert auf.«
»Sehr gut.«
Ich mustere ihn einen Augenblick. Seine Lippen scheinen wie vernarbt und seine Begeisterung angekränkelt. Es wird verdammt hart, mit ihm zusammen JSK anzufeuern.
Plötzlich klingelt das Telefon. Mohand nimmt ab, hört zu, haspelt eine Höflichkeitsfloskel herunter und heftet dann den Blick auf mich.
»Gut, Monsieur, ich gebe Sie weiter.«
Er reicht mir den Hörer. Als ich die piepsige Stimme von Inspektor Serdj am Ende der Leitung erkenne, schießt mir das Blut ins Gesicht.
»Kann man denn nicht mal einen Augenblick verschnaufen?«
»Tut mir leid, Kommissar. Ich habe zuerst bei Ihnen zu Hause angerufen. Ihr Sohn hat mir diese Nummer gegeben.«
»Und was weiter?«
»Einer von den Leuten, die die Wohnung unseres Freundes überwachen, ist eben angegriffen worden. Ich habe einen Krankenwagen gerufen, er ist in zehn Minuten hier.«
»Ist es ernst?«
»Ich wollte kein Risiko eingehen.«
»Gut, ich komme.«
Mina versucht zu
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