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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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und weist dann mit einer müden Geste auf eine Villa hinter einem vergitterten Mäuerchen.
    Ich klingle. Nach zwei Minuten noch einmal.
    Aus der Sprechanlage neben der Tür ertönt ein knackendes Geräusch. Ich stelle mich vor. Das Schloß klickt, und die Tür gibt nach.
    Ich durchquere einen kleinen, gefliesten Hof, steige die Stufen einer Außentreppe hoch, stoße eine weitere eichene Tür auf und stehe in einem spärlich beleuchteten, großen, kahlen Raum. Etwas bewegt sich im hinteren Teil des Zimmers. Es ist der Namenlose, in eine Safarijacke gehüllt, auf dem Kopf das Islamistenkäppchen. Er trägt einen fächerförmigen Bart. Wie ein Fakir sitzt er auf der Matte, die Hände auf den Knien und den Oberkörper kerzengerade aufgerichtet, und erinnert dabei an einen Sack Lumpen, den man am Kai vergessen hat. Sofort durchjagt mich eine Haßwelle, wie jedesmal, wenn ich einen arroganten, auf seine Taten stolzen Mörder vor mir habe.
    »Hast du meinen Bullen zusammengeschlagen?«
    Der Namenlose deutet ein verächtliches Lächeln an. Sein Blick jagt mir einen Schauer über den Rücken.
    Nach einem schier endlosen Schweigen sagt er: »Ich wußte, daß es bei der Polizei nur zweitklassige Leute gibt, aber daß man sich die Ermittlungen so erschreckend leicht macht, habe ich nicht gewußt.«
    Seine Grabesstimme tönt wie aus weiter Ferne zu mir.
    »Einverstanden«, lenke ich ein. »Ich werde meine Frage intelligenter formulieren: Bist du der Drecksack, der den jungen Polizisten, der da draußen Wache hielt, so übel zugerichtet hat?«
    »Raus, Kommissar .« In seiner Aufforderung ist kein Zorn zu spüren.
    »Weißt du überhaupt, wer ich bin?«
    »Werden Sie nicht kindisch. Gehen Sie.«
    Seine Sicherheit macht mich rasend. Er versucht mich zum Äußersten zu treiben, und ich muß aufpassen, mich nicht auf sein Spiel einzulassen.
    »Hör gut zu, du Schuft. Du kannst mir all deine Rechtsanwälte, bösen Geister und alle Präsidentenkommissionen des Landes auf den Hals hetzen, ich werde dich nicht eine Sekunde lang aus den Augen lassen. Ich werde dir am Hintern kleben, bis du keine Haut mehr auf den Arschbacken hast.«
    »Machen Sie, was Sie wollen, Kommissar, aber behalten Sie das für sich. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Ich habe dich gewarnt, du Verbrecher.«
    Ich drehe mich auf dem Absatz um und bin im Begriff zu gehen, als seine Stimme über mich herfällt.
    »Was weißt du schon von Verbrechern, Kommissar?« Er duzt mich auf einmal. »Weil du Bulle bist, glaubst du, daß du automatisch auf der Seite der Witwen und Waisen stehst? Von wegen. Du bist nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Sklave im öffentlichen Dienst, der besser daran täte, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, wenn er nicht als Fußabtreter für seinen Chef herhalten will. Du hast vor einem armen Schlucker nicht mehr Respekt als ein Zirkuspferd vor den Rängen. Es handelt sich um eine simple Rollenverteilung, genauso willkürlich wie unumkehrbar. Und jeder hält sich daran, das ist alles.«
    Ich gehe weiter Richtung Ausgang. Seine Stimme verfolgt mich durch den Raum.
    »In dir stecken dieselben kriminellen Triebe wie in jedem beliebigen Räuber, Kommissar. Du jagst das Wild in Ausübung deiner Funktion; ich jage das meine in Erfüllung meiner Berufung. Das macht aus dir einen Helden und aus mir ein As.«
    Ich habe die Tür erreicht.
    Die Stimme steigt eine Oktave höher, packt mich am Kragen und keucht mir in den Nacken. »Leben und Tod, Gut und Böse, Zufall und Schicksal, das sind alles unsinnige Theorien, die das Schicksal auszustechen versuchen, überkommene Vorstellungen, die an die Stelle der wirklichen Fragen treten. So dreht sich das Rad immer weiter und führt bei seinen Umdrehungen Millionen von Klonen mit sich, die die Glieder der Kette bilden und ebenso zusammengehören wie die Finger der Hand, die die Waffe umklammert. Wer sind wir, Kommissar? Nichts weiter als Wesen, die dem Schicksal unterworfen sind, nichts als gewöhnliche Figuren auf dem Schachbrett des Herrn. Du wärst gern jemand anderes geworden, eine Koryphäe, ein Kommandeur, ein Idol oder Krösus. Aber leider verfügen wir nur über das Drehbuch, das uns das Schicksal vorschreibt, und wir versuchen uns danach zu richten. Später behauptet man dann, auf diese oder jene Szene stolz zu sein ... Alles Blödsinn. Nichts ist unser Verdienst, auch nicht unser Verschulden. Gott hat die Welt so heillos verrückt geschaffen. Warum? Wer würde es wagen, ihm eine solche Frage

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