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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Warum läßt er uns nicht in Ruhe picheln?«
    »Laß gut sein, Moussa«, sagt der Barkeeper ohne viel Nachdruck.
    Moussa schwankt. Er weist mit dem Arm zur Tür. »Raus, du Mißgeburt!«
    Mit seinem anderen Arm packt er mich am Kragen und ist drauf und dran, mich durch den Saal zu schleudern. Ich drehe mich mit einem Ruck um, was ihn ein wenig aus der Fassung bringt, weiche zurück und trete ihm mit aller Wucht in den Schritt. Überrumpelt von meinem wirkungsvollen Vorgehen, reißt der ebenholzschwarze Koloß seine vorquellenden Augen weit auf, legt die Arme auf seinen Unterleib und geht dann mit schmerzverzerrtem Mund in die Knie.
    »Das Schwein hat mir in die Eier getreten.«
    »Bedaure, ich hatte sie für massiver gehalten.«
     
    Wir haben in etlichen Kneipen gesucht, ohne auch nur auf die geringste Spur zu stoßen. Gegen Mitternacht streicht Serdj die Segel.
    »Wir sind auf dem Holzweg, Kommissar. Das beste wäre, an andere Türen zu klopfen. Ohne Lino drehen wir uns im Kreis.«
    »Was schlägst du vor?«
    »Sie kennen doch jemanden im OBS. Vielleicht kann der uns weiterhelfen.«
    »Du denkst an Kommissar Dine?«
    »Warum nicht?«
     
    Kommissar Dine ist auf Abwesenheit abonniert. Er ist noch nicht wieder zurück, sagt die Sekretärin mit gleichförmiger Stimme zum x-ten Mal. Er ist auf der Arbeit, versichert mir seine Frau. Ganz offensichtlich geht er mir aus dem Weg. Aber ich gehöre nicht zu den Menschen, die schnell aufgeben. Ich kenne den Kerl, er hat seine Gewohnheiten, und darüber gelingt es mir schließlich, ihn zu erwischen. Dine greift gern zur Flasche. Bevor er abends zu seinen Lieben zurückkehrt, geht er auf zwei, drei Bierchen ins »Lotus«. Ich überrasche ihn an der Theke, wo er gerade den Schaum von seinem Getränk schlürft. Es paßt ihm überhaupt nicht, daß ich plötzlich hinter ihm stehe.
    »Sieh mal einer an ... Ist dir jemand auf den Fersen, oder was?«
    »Ich habe viel zu tun, Brahim. Meine Sekretärin hat mir gesagt, daß du angerufen hast.«
    »Du hättest zurückrufen können.«
    »Das habe ich nicht riskiert.«
    Er nimmt sein Glas und führt mich nach hinten, wo wir ungestört sind.
    »Warum hast du es nicht riskiert?«
    »Das muß ich dir doch nicht erklären. Im Moment ist niemand zu erreichen. Wenn ich dir einen Tip geben kann: Laß die Dinge laufen. Ich weiß, wieviel dir Lino bedeutet . Eine böse Geschichte. Und gefährlich wie ein Schlangennest. Wir sind alte Freunde, wir haben allerhand zusammen durchgemacht, sind den Dingen gemeinsam auf den Grund gegangen und hatten auch so manchen Erfolg. Aber diesmal ist es etwas anderes. Wir haben es mit Haj Thobane zu tun.«
    »Er ist nicht der liebe Gott.«
    »Der liebe Gott ist gnädig und barmherzig, Brahim. Haj Thobane hat niemals etwas verziehen.«
    Ich sehe ihm gerade in die Augen.
    Er windet sich wie ein Aal und versucht sich mit seinem Bier zu betäuben, so unwohl fühlt er sich in seiner Haut.
    »Für mich ist er nichts weiter als eine miese Ratte.«
    »Ich beneide dich um deine Unbekümmertheit. Beim bloßen Gedanken daran mach ich mir schon in die Hosen, wenn du meine Meinung hören willst.«
    »Danke, meine eigene genügt mir.«
    Dine hört auf, mit seinem Glas herumzuspielen, und mustert mich scharf. »Was willst du, Brahim?«
    »Meinen Lieutenant rausholen.«
    »Und wie?«
    »Er wurde dem OBS überstellt.«
    Sein Gesicht verzerrt sich. »Willst du meinen Tod?«
    »Ich will mit Lino sprechen. Sieh zu, daß du mich zu ihm bringst. Ich verspreche dir, daß ich nicht lange brauchen werde.«
    Er schluckt, blickt um sich, aus Angst, daß mich jemand gehört haben könnte, und erwidert mit flatternden Nasenflügeln: »Was du von mir verlangst, ist der reine Wahnsinn. Erstens ist Lino nicht bei uns, und zweitens, selbst wenn, würde ich dich nicht zu ihm bringen. Das wäre weder für dich noch für mich gut. Ich erinnere dich daran, daß dein Lieutenant einen Anschlag .«
    »Er ist unschuldig«, unterbreche ich ihn.
    »Haj Thobane ist überzeugt, daß Lino der Dreckskerl ist.«
    »Ist mir scheißegal.«
    »Da bist du aber der einzige.«
    »Ich sage dir doch, Haj Thobane ist nichts weiter als eine miese Ratte. Es gibt Gesetze in diesem Land. Und ordentliche Verfahren.«
    Dine ist verdutzt. Er holt tief Luft, um wieder zur Besinnung zu kommen, dann beugt er sich über mich und brüllt los: »Von welchen Gesetzen redest du, und von welchen Verfahren?«
    Sein Gebrüll bewirkt eine gewaltige Stille im Saal. Die Gäste drehen sich nach

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