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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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entrüstete Köpfe. Auf der Terrasse eines kleinen Ausschanks sitzen ein paar Alte und schauen düster unter ihren Turbanen hervor. Sie wenden sich ab, als wir an ihnen vorübergehen, und spucken einer nach dem anderen auf die Straße.
    Soria ist sich bewußt, was für eine Unruhe sie auslöst, ihr Schritt ist nicht mehr ganz so schwungvoll wie zuvor, aber jetzt ist es zu spät zum Umkehren.
    Der Mechaniker, den wir aufsuchen, ist damit beschäftigt, eine verrostete, alte Karre auseinanderzunehmen. Ich hüstele in meine Hand. Er richtet sich ruckartig auf und stößt dabei mit dem Kopf an die Kante der Motorhaube. Über die Verblüffung, einer Frau aus der Stadt gegenüberzustehen, vergißt er seinen Schmerz rasch.
    »Gibt es bei euch keine Hidjabs [ (arab.) Schleier; eine im Maghreb ursprünglich fremde Form der Verschleierung, erst seit wenigen Jahren als Emblem militant-islamistischer Orthodoxie aus den Ländern des Orients importiert] zu kaufen?« fragt er mich in vorwurfsvollem Ton und dreht Soria vielsagend den Rücken zu.
    »Sind wir hier richtig bei den Omaris?«
    »Ja, schon, was wollen Sie? Kommen Sie wegen der Steuern, ja?«
    »Wir sind aus Algier. Wir möchten gern Hamou Omari sprechen.«
    Er runzelt die Stirn, wischt sich die verdreckten Hände an einem Lappen ab, den er aus der Gesäßtasche seines Monteuranzugs zieht.
    »Sind Sie ein Medium?«
    »Nicht unbedingt.«
    Er wirft mir einen finsteren Blick zu, schneuzt sich in seine Hand und grummelt: »Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben.«
    Und damit taucht er wieder in die Welt seiner verdammten Kiste ab und macht sich verbissen über den Kühlwasserschlauch her.
     
    »Sehen Sie, wie schwierig es für eine Frau ist, Nachforschungen anzustellen«, seufzt Soria, als wir wieder im Hotel sind. »Hier redet man nur mit und unter Männern. Gestern hat mich kein Wirt in seine Kneipe gelassen. In der Öffentlichkeit will man keine Frauen, selbst wenn sie in Begleitung sind. Da mußte erst der Empfangschef vom Hotel kommen und mir was zu essen bringen.«
    Völlig erschöpft, enthalte ich mich jeden Kommentars. Meine Füße brennen. Wir sind den ganzen Nachmittag umsonst rumgelaufen. Hamou Omari ist tot, Haj Ghaouti auch. Der dritte Zeuge ist umgezogen, und der vierte, ein gewisser Rabah Ali, ist nach Medea gefahren und wird nicht vor dem Wochenende zurück sein.
    »Ihre Quellen hätten ihre Informationen aktualisieren müssen«, nörgele ich.
    »Sie waren schon lange nicht mehr in Sidi Ba.«
    »Wie schlau von ihnen.«
    Ich sinke aufs Bett und ziehe mir die Schuhe aus. Soria steht auf der Türschwelle und denkt nach.
    »Meinen Sie, daß wir nicht hätten herkommen sollen?«
    »Das hätten wir uns vorher überlegen müssen.«
    Sie verschränkt die Arme über ihrem üppigen Busen und wirft ihr Haar mit einer brüsken Bewegung nach hinten. Soria ist verdammt hübsch. Und sie hat wunderschöne Augen.
    »Was machen wir jetzt?« jammert sie etwas gekünstelt.
    »Jetzt sind wir hier, und jetzt bleiben wir. Ich fahre nicht mit leeren Händen nach Algier zurück.«
    Sie stimmt mir zu und tänzelt auf Zehenspitzen herum.
    »Gut«, sagt sie. »Ich bin in meinem Zimmer. Wenn Sie mich brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden.«
    Am nächsten Morgen mache ich mich allein in die Altstadt auf. Soria hat nicht aufgemuckt. Ihre Anwesenheit an meiner Seite verringert unsere Chancen weiterzukommen, und sie weiß das. In Sidi Ba muß es erst noch eine Menge Katastrophen geben, bevor sich in den Köpfen etwas bewegt.
    Der ehemalige Freiheitskämpfer, mit Decknamen En-Nems, empfängt mich in seiner Weberwerkstatt. Als er merkt, daß seine Kriegsgeschichten gut ankommen, schickt er seine beiden Arbeiter weg, schließt die Tür und zieht die Vorhänge vor, damit er mich ganz für sich allein hat. Er ist schon recht alt, seine Augen wirken riesig hinter den dicken Brillengläsern. So wie Leute, die, lange Zeit unbeachtet, plötzlich im Rampenlicht stehen, nimmt er eine feierliche Haltung an, die überhaupt nicht zu ihm paßt.
    »Wenn das für einen Film sein soll, einverstanden. Aber nicht für ein Buch«, warnt er mich sofort.
    »Filme werden oft nach Büchern gedreht«, versuche ich ihn zu ködern.
    »Mich interessiert nur das Fernsehen. Alle haben Fernsehen ...« Er steckt zwei Finger in den Mund und rückt seine Zahnprothese zurecht. »Ich werde niemals den Film >Der Überlebende< von Jenien Bourezg vergessen. Ein Dokumentarfilm. Der tapfere Mudjahid wird von der französischen

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