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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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wärst du was Besonderes?«
    »Stimmt.«
    Er läuft puterrot an.
    »Ich werde die Angelegenheit vor das Ministerium bringen, Llob.«
    »Du kannst das Büro des Präsidenten informieren, wenn es dir Spaß macht. Ich bin hier, um zu arbeiten. Bleib du einfach bei deinen kleinen Mauschelgeschäften. Kannst von Glück reden, daß du nicht hinter Gittern versauern mußt. Mein kurzer Aufenthalt in deinem Saustall hat keinen guten Eindruck bei mir hinterlassen ... Aber sei unbesorgt, ich werde dich nicht daran hindern, weiterzumachen wie bisher. Ich empfehle dir lediglich, dich mir nicht in den Weg zu stellen.«
    Der Kerl hält die Luft an. Er sitzt wie angenagelt hinter seinem Schreibtisch, die Hand am Telefonhörer. Seinem schiefen Blick nach zu urteilen, fragt er sich, ob ich bluffe. Eine ganze Weile belauern wir uns, versuchen die Schwachstelle des anderen auszumachen. Ohne Zweifel, er ist ein Schurke, dennoch wagt er nicht, meiner Unverfrorenheit etwas entgegenzusetzen.
    »Ich nehme an, daß du ordentlich Rückendeckung hast.«
    »Davon kannst du ausgehen.«
    »Kann ich deinen Dienstauftrag sehen?«
    »An deiner Stelle würde ich darauf verzichten.«
    Er stößt das Telefon weg. »Verstehe«, stöhnt er.
    »Kann ich jetzt endlich loslegen?«
    Er hebt die Arme zum Zeichen, daß er sich geschlagen gibt.
     
    Am nächsten Tag brechen Soria und ich in die Wälder auf, um Rachid Debbah, den berüchtigten Schlächter, ausfindig zu machen, den Tarek Zoubir uns vorstellen wollte. Mit Hilfe von ein paar jungen Schafhirten haben wir ihn schließlich am späten Nachmittag aufgestöbert. Er haust in einer elenden Hütte, auf der anderen Seite des Hügels, inmitten von Gestrüpp und Schutt. Der Ziegenpfad, der zu ihm führt, ist zu schmal für den Lada. Wir lassen das Auto bei einer Obstplantage stehen und steigen den Hang zu Fuß hinauf. Soria klettert schneller als ich, als fürchte sie, zu spät zu kommen. Das Fliegengesumm vor Debbahs Hütte verheißt nichts Gutes. Soria stößt einen Fluch aus und läßt sich auf einen Stein fallen.
    »Das kann nicht wahr sein«, keucht sie, »das kann nicht wahr sein.«
    Und sie fängt an zu schluchzen.
    Ich betrete das Innere der Hütte. Rachid Debbah liegt zusammengekrümmt auf einem Strohsack, im hintersten Teil eines kahlen Raumes, der in grelles Licht getaucht ist. Eine umgedrehte Holzkiste, das einzige Möbelstück, dient als Nachttisch. Darauf stehen eine in ihrem Wachs ertränkte Kerze und eine leere Weinflasche. Der Schlafende stinkt, als hätte er seit der Sintflut kein Bad mehr genommen. Seine nackten Füße, von der ausgefransten, winzigen Decke nicht ganz bedeckt, sind mit einer dicken Schmutzschicht überzogen. Ich bücke mich und hebe die Decke an. Jemand hat dem armen Teufel so heftig den Schädel eingeschlagen, daß die Wand mit Hirnklümpchen besprenkelt ist.
     
    »Rühren Sie mich nicht an«, stößt Soria hervor, als ich ihr bei dem steilen Abstieg behilflich sein will. Danach kein Wort mehr. Nur das krampfartige Mahlen ihrer Kiefer, womit sie die Schreie, die ihr die Kehle zuschnüren, unbarmherzig zu ersticken versucht. Sie verzichtet darauf, selbst zu fahren. Ich setze mich ans Steuer und blicke stur geradeaus, während sie ins Leere starrt. Irgend etwas sagt mir, daß sie mir für das Pech, das uns verfolgt, die Schuld gibt und mich für ein böses Omen hält.
    Ich lasse sie am Hotel aussteigen und stelle das Auto im Hof der Tischlerei ab. Es ist bereits dunkel. Ich schalte den Motor aus und zünde mir eine Zigarette an. In dem Moment, als ich die Tür öffne, wirft sich ein Schatten auf mich, ich höre ein ohrenbetäubendes »Hurensohn«, bevor mich ein Schlag ins Genick trifft, ein zweiter in den Kiefer, und dann ist da nur noch ein schwarzes Loch .
    Die Decke meines Hotelzimmers ist das erste, was ich erkenne, als ich wieder zu mir komme. Ich liege ausgestreckt auf dem Bett, meine Schläfen fühlen sich wie gegrillt an. Um mich herum wogen die Wände sanft hin und her. Ich hebe die Hand zum Gesicht, fahre über glühende Flecke und Beulen hinterm Ohr und auf den Wangen. Versuche mich aufzurichten, was lediglich dazu führt, daß die Kopfschmerzen Wiederaufflammen, und gebe sofort auf.
    Soria setzt sich mit einer Schale voller Eiswürfel neben mich, taucht Kompressen in das kalte Wasser und legt sie behutsam auf die blutunterlaufenen Stellen.
    »Was ist passiert?«
    »Der Portier hat Sie schreien hören. Wenn er nicht sofort gekommen wäre, hätten die beiden

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