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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Flucht.
    An der nächsten Straßenecke überrumple ich ihn, packe ihn an der Gurgel und drücke ihn gegen eine Wand.
    »Ist doch nur zu deinem Besten«, preßt er hervor, ohne sich zu wehren. Ich lasse ihn los. Er rückt seinen Hemdkragen zurecht und sagt:
    »Hör zu, ich hätte auch Besseres zu tun, als dir wie ein Köter hinterherzuschleichen, damit die Menge dich nicht lyncht. Aber der Kommissar besteht darauf, sonst müssen wir dich noch stückchenweise einsammeln. Er will keine Probleme in seinem Revier, kapierst du? Ich schwör dir, wir machen das nicht aus Kollegialität und auch nicht wegen deiner schönen Augen.«
    »Bei zwei Leichen und zwei gefährlichen Verrückten in der Stadt, kommt es dir da nicht reichlich nebensächlich vor, mir hinterherzuschnüffeln?«
    »Die Toten sind begraben, und die Untersuchung läuft. Die Typen, die dich fertigmachen wollten, sind im übrigen verduftet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ob du's glaubst oder nicht, aber wir haben mit diesen Gaunern nichts zu tun. Wir sind Polizisten und tun unsere Pflicht mit den knappen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.«
    »Wie rührend!«
    Er sieht mich verächtlich an. »Ich laß es gegenüber Kollegen eigentlich nie an Respekt fehlen, bei dir würde ich allerdings am liebsten eine Ausnahme machen. Sieh dich vor, Kommissar. Du bewegst dich auf vermintem Gelände.«
     
    Am Nachmittag besteht Soria darauf, daß wir noch einmal zu Labras, dem Hühnerzüchter, fahren. Ich suche eine extra komplizierte Route aus, für den Fall, daß der graue Peugeot 405 uns folgen sollte. Als wir sicher sind, daß uns niemand nachspioniert, biegen wir in den Wald ein. Wir überraschen Jelloul Labras auf einem Stein am Wegrand sitzend, als hätte er unseren Besuch erwartet. Soria bittet mich, sie machen zu lassen, und steigt aus. Ich beobachte, wie sie miteinander verhandeln. Der Bauer blickt gereizt in meine Richtung. Soria läßt sich nicht beirren. Sie zieht ihre besten Trümpfe: ihren Charme und ihre Argumente. Doch ihr Gegenüber zeigt keinerlei Regung, hört kaum hin, wie sie da auf ihn einredet. Schließlich, durch wer weiß was für ein Wunder, steht er auf und geht auf den Eukalyptusbaum zu. Soria gibt mir ein Zeichen, ihr zu folgen. Das hätten wir geschafft.
    Der Bauer stellt drei Klappstühle um den Tisch am Fuße des Baums. Er spricht kein Wort mit mir. Er weicht meinem Blick aus. Ich setze mich neben Soria, er bezieht etwas abseits Stellung. Dann sagt er ganz unvermittelt:
    »Ich war bei der Beerdigung von Tarek Zoubir. Sein Tod ist mir sehr nahegegangen. Ein feiner Kerl.«
    »Sie haben ihn gekannt?«
    »Ja ... Es stimmt, er ist sehr tief gefallen, aber früher war er mal ein geachteter Mann. Ein Idealist. Er glaubte an die Erneuerung Algeriens. Sein Engagement hat sich jedoch an der Raubgier der Aasgeier bald zerrieben. Als er versuchte, sich den mafiosen Plänen des Linkshänders, der sich die Region angeeignet hatte, zu widersetzen, ist er in der Gosse gelandet. Er hatte Glück, daß sie ihn nicht schon früher abgeknallt haben . Ihm verdanke ich diesen Hof. Ich war am Verrecken. Niemand wollte mich einstellen. Niemand, ob in der Stadt oder anderswo, ertrug meinen Anblick. Ich war ein Aussätziger, ich bin es noch, auch wenn sie nicht mehr mit Steinen nach mir werfen. Ich hatte keine Arbeit, keine Angehörigen und keine Stütze mehr, und mein Haus wurde von den Fellagas beschlagnahmt .«
    Fellagas! Das Wort explodiert in mir wie eine Bombe, ich verliere die Beherrschung. Im Bruchteil einer Sekunde verschwimmt mir alles vor den Augen, in meinen Schläfen hämmert es. Ich gehe hoch wie ein schäumender Geysir.
    »Wie haben Sie die Freiheitskämpfer genannt?«
    »Fellagas .«
    Mir wird ganz heiß im Bauch. Ich koche vor Wut.
    »Nehmen Sie das zurück, aber schnell.«
    »Das wird sie auch nicht reinwaschen«, erwidert er unbeeindruckt.
    »Ich verbiete Ihnen, sie auf diese Weise zu verunglimpfen.«
    »Ich laß mir von Ihnen nichts verbieten! Ich nenne sie, wie ich will. Für Sie waren es Helden, für mich Teufel.«
    »Weil die Harkis Engel waren?«
    »Sie waren, was sie waren, schlimmstenfalls waren sie nicht so barbarisch wie Ihre Fellagas.«
    Meine Faust schlägt blitzschnell zu. Sie trifft Labras unter dem linken Ohr, er fällt hintenüber. Um ihn am Aufstehen zu hindern, drücke ich ihm meine Beretta gegen das Kinn. Soria versucht einzugreifen, ich schubse sie weg. Labras bringt sich vor meinen Schlägen in Sicherheit, den Finger auf mich

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