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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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den ich ihm verpasse, gibt mir das Gefühl, zum Wohle der Menschheit beizutragen und dem lieben Gott einen heiligen Dienst zu erweisen.
    »Genug, genug, ich ergebe mich«, röchelt er.
    Ich befehle ihm, bis zur Wand zurückzukriechen. Er gehorcht, krümmt sich in einer Ecke zusammen und wischt sich sein blutverschmiertes Gesicht am Arm ab.
    »Die beiden Typen, die dich angegriffen haben, kennt hier kein Schwein. Sie sind vor drei Tagen aus Algier gekommen und geben sich als Leute von der Militärsicherheit aus. Der Bürgermeister hat sie privat empfangen.«
    »Wie sehen sie aus?«
    »Ganz normal.« Ich drücke meine Beretta gegen seine Wampe. »Ich hab sie bloß einmal gesehen, ich schwör's.«
    »Beschreib sie mir.«
    »Breite Schultern, ausrasierte Schläfen, eingeschlagene Nase. Das klassische Rausschmeißerprofil. Einer hat eine Narbe an der Oberlippe, der andere ist kurzbeinig und hinkt ein bißchen. Wenn man sie sieht, läuft es einem kalt über den Rücken.«
    »Wie sind sie hergekommen?«
    »Ein grauer Peugeot 405, mit einem Algierer Kennzeichen.«
    »Haben die beiden Tarek und Debbah kaltgemacht?«
    »Was weiß denn ich. Keine Ahnung, wer hinter den beiden Morden steckt. Und selbst wenn ich was wüßte, würde ich es für mich behalten.«
    »Machen wir einen Deal.«
    »Nein, ich will nicht in diese Sache reingezogen werden. Das kannst du vergessen.«
    »Ich will ihre Namen.«
    »Du weißt doch, daß solche Typen keinen haben. Spitznamen ja, aber niemals eine Adresse. Da kannst du noch die ganze Nacht auf mich einschlagen, das ist reine Zeitverschwendung. Ich werde nichts sagen. Ich erinnere mich schon nicht mehr daran, wer du bist, und du hast nie den Fuß in mein Zimmer gesetzt.«
    Er dreht mir den Rücken zu, greift nach einem Tuch, legt es sich über das Gesicht und rollt sich in der hintersten Ecke seiner Höhle zusammen.
     
    Ohne mich zu unterbrechen, hat sich Soria den Bericht über meine Begegnung mit Kong angehört. Eine Falte auf ihrer Stirn weist darauf hin, daß sie sich fragt, was ich nun zu tun gedenke.
    »Monsieur Llob, es steht Ihnen frei auszusteigen, wenn Sie es für richtig halten. Für mich ist es undenkbar, mittendrin aufzugeben. Nicht einmal eine ganze Armee von solchen Gorillas würde mich zurückhalten. Ich werde bis zum Äußersten gehen.«
    »Ich bin kein Waschlappen.«
    »Das wollte ich damit auch nicht sagen. Man kann sich zurückziehen, wenn man meint, daß es sich nicht lohnt. Das ist keine Schande.«
    »Darf ich erfahren, was Sie in einem solchen Maße motiviert?«
    »Das, was Sie motiviert, wenn Sie Ihrer Arbeit nachgehen, Kommissar: die Wahrheit. Noch nie hat mich eine Geschichte so gepackt. Es ist mir ein persönliches Anliegen.«
    »Warum?«
    »Ich kann Ungerechtigkeit nicht ertragen. Es sind Menschen liquidiert worden.«
    »Als vermißt gemeldet.«
    »Sie wissen genausogut wie ich, was das heißt, vermißt.«
    Es ist 22 Uhr, die Stadt hat sich in ein undurchdringliches Schweigen verkrochen, die Straßen sind leer gefegt und die Geschäfte geschlossen. Soria hat Ringe unter den Augen. Ihr kleines Tonbandgerät liegt neben den Akten, sie überprüft noch einmal ihre Notizen, hakt bestimmte Informationen ab und versieht andere mit riesengroßen Fragezeichen.
    »Ich laß Sie jetzt in Ruhe«, sage ich.
    »Sie haben recht. Wir müssen die Sache erst mal überschlafen.«
    In meinem Zimmer entsichere ich meine Beretta und lege sie auf den Nachttisch. Ich habe nicht die Absicht, heute nacht in Tiefschlaf zu fallen. Die Anwesenheit der beiden Typen aus Algier in Sidi Ba macht mich ein wenig nervös. Wenn sie hinter dem Mord an Tarek und Debbah stecken, wird sie nichts davon abhalten, mir in meinem Hotel einen Besuch abzustatten. Ich schalte die Nachttischlampe an und bleibe so, die Hände hinterm Nacken verschränkt, eine ganze Weile ausgestreckt auf dem Bett liegen.
     
    Am Morgen entschließe ich mich zu einem Alleingang durch die Stadt. Einziges Mittel, Ordnung in meine Gedanken zu bringen und den besagten grauen Peugeot mit dem Algierer Kennzeichen ausfindig zu machen. Ich habe überall erfolglos gesucht, bin ums Rathaus geschlichen und habe bis mittags in der Nähe des Polizeireviers Stellung bezogen. Keine Spur von meinen beiden Angreifern. Plötzlich bemerke ich, daß sich jemand an meine Fersen geheftet hat. Der Fettsack, den ich beim Kommissar von Sidi Ba gesehen habe. Er versucht vergebens, sich unsichtbar zu machen, sobald er auftaucht, ergreifen die Schwarzhändler die

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