Nacht über Algier
Dreckskerle Sie gelyncht.«
»Würde er sie wiedererkennen?«
»Es war dunkel. Als sie ihn bemerkt haben, sind sie abgehauen.«
Ich taste nach meiner Knarre und finde sie nicht. Soria beruhigt mich. »Ich habe sie weggelegt . Haben Sie denn nichts gehört oder gesehen?«
»Gar nichts.«
»Sie werden alt, Kommissar.«
»Scheint so.«
Sie trägt ein durchsichtiges weißes Hauskleid, unter dem sich ihr herrlicher Körper abzeichnet. Diese verführerischen Brüste! Ihr Duft benebelt mich, ich habe das undeutliche Gefühl, an ein verzaubertes Ufer fortgeschwemmt zu werden. Ihr Lächeln nagelt mich fest, entwaffnet mich, entblößt mich, und ich finde nirgends die Kraft, gegen diese seltsame Welle anzukämpfen, die mich von allen Seiten überrollt. Soria sieht meine Not und macht sie sich mühelos zunutze. Ihre Finger lassen die Kompressen los, wandern ziellos über mein Gesicht, streicheln über meine Nase, gleiten über meine Lippen, was mir einen Schauer nach dem anderen durch den Körper jagt und ebenso viele Funken in meinem Kopf entzündet. Sie beugt sich immer tiefer über mich, ich spüre ihren Atem auf meiner Haut. Ihre Hand fährt langsam über meinen Bauch, gleitet weiter nach unten, furchtlos, arglos, sehr bestimmt. Ich fühle mich ihr vollkommen ausgeliefert. Soria berührt flüchtig meine Lippen, ich werde wie von einem Taumel erfaßt. In dem Moment, als ich mich endlich fallen lasse, machen sich ihre Hände brutal an meinem Gürtel zu schaffen und brechen mit einem Schlag den Zauber. Ich packe sie am Handgelenk.
»Mina würde mir das übelnehmen.«
»Sie würde nichts davon erfahren«, murmelt sie.
»Aber ich könnte ihr nicht mehr gerade in die Augen sehen. Und früher oder später würde sie etwas ahnen und wäre darüber sehr betrübt, und ich, ich würde es mir nie verzeihen.«
»Sie hat wirklich viel Glück, deine Mina«, sagt sie und steht auf.
19
Kong verläßt das Rathaus um 17 Uhr 30. Er geht zu Fuß ins Stadtzentrum. Auf dem Souk läßt er sich Fleischspieße braten, die er gleich an Ort und Stelle verspeist, und geht weiter, ohne das Portemonnaie zu zücken. Das nenne ich sich auf Kosten der Republik ein schönes Leben machen. Dann setzt er sich in eine finstere Spelunke, spielt Domino, und schon nach der dritten Partie beschuldigt er sein Gegenüber, mit miesen Tricks zu arbeiten. Gegen Abend versorgt er sich in einem Laden mit Lebensmitteln, steigt dann mit den Einkäufen unterm Arm, die er nicht bezahlt hat, eine verdreckte Gasse hoch und betritt schließlich ein häßliches Wohnsilo. Als er die Tür zu seiner armseligen Behausung öffnet, stoße ich ihn ins Zimmer und versetze ihm mit meiner Knarre einen Hieb auf den Schädel. Er sackt wie ein vom elektrischen Schlag getroffener Bär zusammen; seine Tüten reißen, Clementinen und Eier kullern über den Fußboden.
»Hallo, Kong. Ich hatte damit gerechnet, dich auf einem Baum anzutreffen, aber du vegetierst lieber in einem Käfig vor dich hin. Du bist deiner Gattung ein gewaltiges Stück voraus.«
Er schüttelt den Kopf, um wieder zu sich zu kommen.
Meine Beretta blitzt auf und drückt ihn zu Boden.
»Liegen geblieben!«
»Was willst du von mir?«
Ich zeige ihm meine Beulen im Gesicht. »Kein netter Zug von dir.«
»Ich versteh nicht, was du meinst.«
»Red keinen Scheiß.«
»Ich schwör dir, ich hab nichts damit zu tun.«
Ich packe ihn an den Haaren und ziehe ihn mit einem festen Griff nach hinten. Sein Genick knackt, und seine Augen treten vor Schmerz aus den Höhlen.
»Du und dein Kumpel, ihr habt euch ein ganz schönes Ding geleistet.«
»Du irrst dich, Kommissar. Beim ersten Mal wußte ich nicht, mit wem ich mich anlege. Aber als ich erfahren habe, daß du ein Bulle bist, hab ich die Finger davon gelassen. Ich kenne meine Grenzen.«
Ich stehe auf und sehe mich prüfend um, eine verlotterte Bude. Auf einem niedrigen Tisch türmen sich schmutzige Gläser und Teller, an den schmierigen, feuchten Wänden lächelt zwischen einem Haufen Fotos mit nackten Frauen der Bürgermeister von Sidi Ba von einem Wahlplakat herab.
Kong nutzt diesen Moment und springt auf. Er versucht mich zu entwaffnen. Ich weiche ihm geschickt aus, verpasse ihm eine ganze Serie von Linken, die er aber locker wegsteckt. Seine Faust trifft mich hinterm Ohr, genau da, wo es am meisten weh tut. Der Schmerz heizt meine Wut an. Ich schlage blindlings mit dem Pistolenkolben zu. Kong geht zu Boden. Ich prügle weiter auf ihn ein. Jeder Schlag,
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