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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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er stellt sich ans Fenster.
    »Ich hab's Ihnen schon gesagt, Monsieur Llob, ich will aus dieser Geschichte rausgehalten werden«, erklärt uns Rabah. »Auch wenn ich überzeugt bin, daß es höchste Zeit ist, das Übel an der Wurzel zu packen. Jelloul brauchte nicht lange auf mich einzureden. Ich hab das Ganze einfach satt! Aber bevor wir zur Sache kommen, hätte ich noch ein paar Fragen.«
    »Kein Problem«, sage ich. »Dürfte ich selbst eine vorweg stellen? Danach überlasse ich Ihnen das Wort und die Zügel.«
    Rabah Ali runzelt die Stirn. »Ich höre, Monsieur Llob.«
    »Bei unserem ersten Treffen haben Sie uns zu Labras geschickt. Heute abend bringt er uns zu Ihnen. Darf ich erfahren, was Sie miteinander verbindet?«
    Jelloul hebt die Hand, um unseren Gastgeber zu bitten, an seiner Stelle antworten zu dürfen. Der ist einverstanden.
    »Der bewaffnete Mann, dem Debbah den Befehl gegeben hatte, mich abzuknallen, das ist er, Rabah Ali ...«
    Soria ist von meiner Fragerei genervt. Diese Einzelheiten interessieren sie nicht. Sie vergeht vor Ungeduld, endlich zum Wesentlichen zu kommen.
    »Kann ich Notizen machen, Monsieur Ali?« fragt sie Rabah.
    »Ich hab nichts dagegen.«
    »Danke.«
    Während sie einen Notizblock und einen Füller hervorholt, stellt sie das kleine Tonbandgerät an, das sie stets in ihrer Tasche mit sich führt. Souverän eröffnet sie das Gespräch: »Ihre Fragen, Monsieur Ali.«
    »Wissen Sie, mit wem Sie sich anlegen?«
    »Mit Haj Thobane, genannt der Linkshänder, Mitglied des Politbüros und einflußreiche politische Persönlichkeit.«
    »Ganz richtig, Madame. Bis wohin wollen Sie gehen?«
    »Bis zum bitteren Ende«, antwortet Soria.
    »Das heißt?«
    »Was es heißt.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie sich mit Haj Thobane messen können? Und wenn ja, wie?«
    »Darf ich erfahren, was das Ganze soll?« brumme ich dazwischen.
    »Ich bitte Sie, Kommissar«, empört sich Soria. »Ich verstehe sehr wohl, worauf er hinauswill, und er hat recht. Wegen unserer Nachforschungen wurden bereits zwei Männer getötet. Ihr Tod wird nicht ungestraft bleiben, das schwöre ich . Monsieur Ali, Sie fragen sich, auf welche Weise ich es mit jemandem wie Thobane aufnehmen will, mit einer Gottheit, die ihre Macht nach Lust und Laune ausspielt und sich weder um Gesetze noch um diejenigen schert, die sie zu hüten haben? Keine Sorge, ich bin nicht allein. Ich habe Rückendeckung von prominenten Persönlichkeiten, die über meine Nachforschungen im Bilde sind und sie auch dann weiter unterstützen werden, wenn ich auf etwas stoßen sollte, das belastend genug wäre, Thobane an die Wand zu stellen. Ich hätte mich niemals auf diese Geschichte eingelassen, wenn ich mir dessen nicht sicher gewesen wäre.«
    »Das hatte ich vermutet. Aber es beruhigt mich, daß Sie es bestätigen. Denn ich habe Ihnen Dinge von entscheidender Bedeutung zu enthüllen.«
    Rabah Alis Stimme wird heiser, Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Als würde er sich plötzlich der Gefahren bewußt, die auf ihn lauern. Aus seinem Blick sprechen auf einmal Zweifel. Soria nimmt ihn scharf ins Visier, vielleicht um ihre Entschlossenheit auf ihn zu übertragen.
    »Also, nun mach schon, Si Ali«, redet ihm der Hühnerzüchter zu. »Ich habe Vertrauen zu dieser Dame.«
    Ermutigt von den Worten des Bauern, besinnt sich Rabah Ali und geht ins Nachbarzimmer. Er kommt mit einem kleinen Spiralblock zurück, den er vor Soria auf den niedrigen Tisch wirft.
    »Ich habe es sechsundzwanzig Jahre aufbewahrt. Das reicht.«
    »Was ist das?« erkundigt sich Soria, ganz blaß im Gesicht.
    »Es gehörte Ameur Talbi. Ich war derjenige, der den Auftrag hatte, die Familie in jener Nacht zu eskortieren«, erzählt er. »Ich sage absichtlich eskortieren. Ich hatte keine Ahnung, daß da was im Busch war. Ich war knapp Zwanzig und hatte noch saubere Hände. Mein Befehl lautete, zu den Talbis zu gehen und sie aufzufordern, ihre Koffer zu packen. Für diese Mission wurde mir ein Lastwagen zur Verfügung gestellt. Damals war ich noch nicht in der Lage, Befehle anzuzweifeln und mir Fragen zu stellen. Um 21 Uhr 30 hab ich bei den Talbis an die Tür geklopft. Mein Gewehr war nicht geladen. Ich habe nicht im entferntesten geahnt, was sich da zusammenbraute. Ameur Talbi war nicht auf unseren Besuch gefaßt. Er sagte mir, daß es sich um ein Mißverständnis handeln müsse, daß der Linkshänder niemals jemanden zu ihm schicken würde. Ich hab ihm gesagt, daß ich strikte Anweisung

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