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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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hätte, ihn und seine Familie zum Posten 32 zu bringen. Ameur Talbi meinte daraufhin, daß er auf keinen Fall mitkommen könne, weil seine Frau gelähmt sei und sein jüngster Sohn mit 40 Grad Fieber im Bett liege. Ich hatte weder ein Funkgerät noch ein Telefon bei mir, um mich mit meinen Vorgesetzten zu verständigen. Als er sah, in was für einer Zwickmühle ich steckte, hat er diesen Block hier geholt, als Beweis, daß ich mich in der Person irrte. Ich hab den Block aufgeschlagen und drin gelesen. In dem Moment kam ein Unteroffizier in einem Jeep an. Ohne auszusteigen, brüllte er mir zu, ich solle mich beeilen. Ich versuchte ihm zu erklären, daß man sich möglicherweise in der Person geirrt habe. Er hat mich angeschrien, wenn ich nicht vor 22 Uhr wieder auf dem Posten wäre, würde er mir mit einer Zange die Haut abziehen. Ameur Talbi hatte alles mit angehört. Der Befehl war eindeutig. Ich hab ihn beruhigen können und gesagt, wenn man erst mal am Posten 32 wäre, würde sich alles aufklären. Er hat nur genickt und ist seine Kinder holen gegangen. Zwei von meinen Männern haben ihm geholfen, seine Frau auf die Ladefläche zu schaffen. Wir sind zum Posten 32 gefahren, und was dann passierte, hat Jelloul Ihnen sicher schon erzählt.«
    Soria wollte wissen, was der Linkshänder Ameur Talbi vorwarf. »Begreifen Sie denn nicht? Ameur Talbi war der engste Mitarbeiter vom Linkshänder, seine wichtigste Vertrauensperson: Er war sein Schatzmeister.«
    Wir sind wie vom Blitz getroffen. Der Schlag entlädt sich mit einer solchen Gewalt, daß Soria den Füller, den sie fest umklammert hält, in zwei Teile zerbricht. Ihr Gesicht gleicht dem einer Wachsfigur.
     
    20
     
    Ich habe Mühe, Soria wiederzuerkennen. Eine merkwürdige Mischung aus Wut und unbändiger Freude entstellt ihre Züge. Sie hat kein Sterbenswörtchen von sich gegeben, während Labras uns zum Hotel zurückfuhr. Ich habe lediglich das unentwegte Zittern ihres Körpers auf den ledernen Rücksitzen gespürt. Sie hat sich zum Abschied nicht mal beim Hühnerzüchter bedankt. Kaum in ihrem Zimmer, hat sie sich wie eine Furie auf ihre Koffer gestürzt und angefangen, ihre Sachen darin zu verstauen.
    »Was ist denn in Sie gefahren?« frage ich. »Ich dampf ab.«
    »Haben Sie eine Vorstellung, wie spät es ist?«
    Sie verzieht trotzig den Mund. Ihre weit aufgerissenen Augen durchbohren mich.
    »Haben Sie immer noch nicht kapiert, Monsieur Llob? Zum ersten Mal in seinem Leben sitzt dieses Monster von Haj Thobane so richtig in der Klemme, und ich habe die feste Absicht, ihn darin verhungern zu lassen. Dazu muß ich das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Eine einzige Kaffeepause, der geringste Aufschub, nur eine Sekunde Abschalten, und er könnte die Situation zu seinen Gunsten wenden. Eine solche Gelegenheit werde ich ihm nicht bieten. Lieber krepieren. Ich will, daß er stürzt, je schneller, desto besser.«
    »Wir brauchen ein bißchen Schlaf. Die Fahrt ist anstrengend, und außerdem ist es ein Sauwetter.«
    »Keine Ruhepause vor Ende der Schlacht. Ich erinnere Sie daran, daß Sie einem Lieutenant aus der Patsche helfen müssen, Kommissar, sonst geht er ein. In seiner Lage wiegt Zeit mehr als Gold, sie bedeutet das Überleben. Ich bin jedenfalls zu aufgekratzt, ich könnte sowieso nicht schlafen. Wenn Sie müde sind, setze ich mich eben ans Steuer. Ich verspreche Ihnen, Sie heil nach Hause zu bringen.«
    »Und mein Auto?«
    »Geben Sie mir die Schlüssel und die Papiere. Ich laß es morgen von jemandem holen.«
    Zwecklos, mit ihr zu diskutieren. Sie ist schon weit weg. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel und geh in mein Zimmer, um meine Siebensachen zusammenzusuchen.
    Ich habe nicht lange durchgehalten. Nach gut hundert Kilometern bin ich auf meinem Sitz eingedöst. Als wir Algier erreichen, weckt mich Soria. Im Halbschlaf erkläre ich ihr, wie sie zu mir nach Hause kommt. Sie setzt mich vor meinem Haus ab und verschwindet - mit meinem Gepäck im Kofferraum.
    Meine Uhr zeigt fünf Uhr morgens. Ich schleppe mich die Treppen hoch. Auf dem Absatz im dritten Stock versuche ich vergeblich, das Schwindelgefühl zu bezwingen. Jetzt habe ich schon zwei Nächte hintereinander kein Auge zugetan. Mina öffnet mir die Tür, ihr Gesicht ist aufgedunsen von bösen Träumen. Ich sinke in ihre Arme und überlasse mich ihrer Fürsorge. Wie durch einen Nebelschleier nehme ich wahr, daß sie mir die Schuhe auszieht. Mein Kopf gräbt sich in das Kopfkissen, und ich versinke

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