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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Stein gemeißelt, und hatte den Eimergriff über der offenen Hand hängen. Seine dünnen braunen Haare waren kurz geschnitten, feucht und frisch gekämmt. Ich sah ihm an den Augen an, dass er mich erkannte, sah, wie ein Nerv in seinem Gesicht zuckte.
    Doch das eigentliche Problem im Umgang mit Dock Green war nicht seine verquere und neurotische Art. Es war vielmehr sein instinktives und geradezu unheimliches Gespür für die unterschwelligen Motive anderer Menschen, vielleicht sogar für ihre Gedanken.
    »Wer hat euch gesagt, dass ich hier bin?«, fragte er.
    »Sie genießen hier in der Gegend eine Menge Respekt, Dock. Der Sheriff in St. Landry weiß gern Bescheid, wenn Sie in der Stadt sind.«
    »Wer hockt in der Scheißkiste?«
    »Clete Purcel.«
    Er stellte den Eimer ab, legte die eine Hand an den Mund, die andere an seine Genitalien und schrie: »Hey, Purcel, du gehst mir auf die Eier!«
    »Dock, ich suche eine schwarze Nutte namens Brandy Grissum.«
    »’ne Süchtige, diejenige, die gesehn hat, wie der Drehbuchautor umgelegt worden ist?«
    »Ganz recht.«
    »Über die weiß ich gar nix. Warum steht er da draußen?«
    »Sie haben gerade gesagt...«
    »Die Polizei in New Orleans hat schon mit mir geredet. Deswegen weiß ich’s.« Die Haut unter seinem Auge zuckte wie runzlig gewordene Farbe in einem Eimer. »Hat Short Boy Jerry euch hergeschickt?«
    »Warum sollte er?« Ich lächelte und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Ihr seid zusammen zur Schule gegangen. Er zieht jetzt wieder nach New Iberia. Und jetzt tauchen Sie auf meinem Anwesen auf. Gehört nicht viel Grips dazu, dass man da draufkommt.«
    »Überlassen Sie mir das Mädchen, Dock. Ich mach es wieder gut.«
    »Wenn Sie ’ne schwarze Nutte oder ’n schwarzen Killer suchen, sollten Sie mit Jimmy Ray Dixon reden.«
    »Hier komm ich nicht weiter, was?«, sagte ich. Der Wind fuhr durch die Weiden, die auf der anderen Seite des Deiches standen. »Hübsch haben Sie’s hier.«
    »Kommen Sie mir nicht auf die Lässige, Robicheaux. Ich will Ihnen mal sagen, worum’s hier geht. Short Boy Jerry hat gedacht, er könnt mir ein paar Streikposten auf die Baustellen stellen und mich kleinkriegen. Hat nicht funktioniert. Also benutzt er jetzt Sie, um mir Steine in den Weg zu legen. Ich glaub, er hat mich auch bei der Polizei in New Orleans angeschwärzt.«
    »Sie sind ziemlich flink, Dock.«
    Er richtete den Blick zum Gartentor.
    »Ich glaub’s einfach nicht. Purcel pisst an meinen Viehzaun. Ich hab hier Nachbarn«, sagte Dock.
    »Sie und die Giacanos unterstützen doch nicht etwa Buford LaRose, oder?«, fragte ich.
    Er lächelte zum ersten Mal, wenn auch mit schmalen Lippen und verkniffenen Augen.
    »Ich setze nie auf Menschen«, sagte er. »Kommen Sie mit rein. Ich brauch ’n Pepto oder so was Ähnliches. Wenn ich Purcel seh, wird mir schlecht.«
    Die mit Pinienholz getäfelten Wände seines Wohnzimmers hingen voller präparierter Hirsch- und Antilopenköpfe. Über dem Kamin thronte ein Marlin, dessen lackierte, künstlich wirkende Haut mit einer Staubschicht überzogen war. Auf einem langen Bücherregal stand eine Reihe Gläser, in denen in Formalin eingelegte Klapper- und Wassermokassinschlangen, ein haarloses Opossum, Dosenschildkröten, Alligatorenbabys und eine Nutria schwammen, deren paddelartiger Fuß ans Glas gedrückt war.
    Dock ging in die Küche und kam mit einer Dose Bier zurück. Mir bot er nichts an. Hinter ihm sah ich seine Frau, eine der Giacanos, die mich mit ihren tief in den Höhlen liegenden Augen anstarrte. Ihre rabenschwarzen Haare waren nach hinten gekämmt und zu einem Knoten gerafft, die Haut war weiß wie Weizenmehl.
    »Purcel geht mir auf den Geist«, sagte Dock.
    »Warum?«
    »Aus dem gleichen Grund wie Sie.«
    »Wie bitte?«
    »Sie stellen jemand als verrückt hin, glauben, wenn Sie ihm ein paar Münzen reinstecken, tanzt er los wie aufgezogen. Tatsache is’, dass ich wo gewesen bin, wo einem die Augen und die Ohren und der Mund mit Erde verstopft waren, wo du keinen Ton gehört hast außer den Stimmen der Toten in deinem Kopf ... Da drunten erfährst du Geheimnisse, die du nie wieder vergisst.«
    »Ich war auch da drüben, Dock. Sie haben die Erfahrung nicht für sich allein gepachtet.«
    »Nicht da, wo ich war. Nicht mal in Ihren schlimmsten Albträumen.« Er trank einen Schluck aus der Bierdose und wischte sich mit dem Handballen den Mund ab. Einen Moment lang schien er mich nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, dann fiel

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