Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Hände bleiben immer sauber.«
»Wenn du dich von den LaRoses benutzen lässt, ist das deine Sache, Jerry Joe.«
»Verdammt, du bringst mich auf die Palme«, sagte er. Er schlug mit seinem Löffel an den Griff der Tasse und schaute hinaus in den Regen, der im Schein der Strahler fiel. Seine Lederjacke war zerknittert und abgetragen, und ich fragte mich, vor wie vielen Jahren er sie gekauft hatte, um einem Mann nachzueifern, der einst mitgeholfen hatte, eine Stadt einzuäschern, die man das Florenz des Nordens nannte.
»Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten, Dave. Lass meinetwegen den Job sausen. Ich bring dich bei der Gewerkschaft unter. Ist ganz einfach. Du kriegst ’ne Hand voll Kugelschreiber und ’n Klemmbrett, und dann kannst du das durchziehn, bis du abtrittst.«
»Willst du mit raufkommen und mit uns essen?«
»Klingt nicht übel...« Einen Moment lang wirkte er melancholisch. »Aber ein andermal. Ich hab ’ne Kleine drüben in Lafayette, die auf mich wartet. Die Heiraterei hat bei mir nie lang hingehauen, weißt du, was ich meine? ... Dave, die schwarze Nutte, die gesehn hat, wie der Drehbuchautor abgeknallt worden ist – die arbeitet für Dock Green, falls du sie immer noch suchst ... Hey, morgen schick ich dir ’ne Jukebox vorbei. Alles drin, Partner – Lloyd Price, Jimmy Clanton, Warren Storm, Dale und Grace Broussard, Iry LeJeune ... Keine Widerrede.«
Und damit ging er durch die Fliegengittertür hinaus in den Regen. Im gelben Schein der Lichterkette warf er einen doppelten Schatten, so als ob er uneins mit sich wäre.
Dock Green war ein aufgeregter, fahriger und gelegentlich auch abgefeimter Mann, der einst schwere Baumaschinen gefahren hatte und behauptete, er sei vom Vietcong von einer Baustelle in der Nähe von Hue entführt und bei lebendigem Leib am Ufer des Perfume-Flusses begraben worden. Sein Gesicht war wulstig, als ob es aus Kitt modelliert wäre, der ungleichmäßig getrocknet war. Ständig zuckte und verzog es sich, wenn er einen mit seinem stechenden Vogelblick anstarrte, immer auf der Hut, die Augen hektisch auf jemanden hinter einem oder auf einen Gegenstand neben einem gerichtet.
Er besaß eine Baufirma, ein Restaurant und die Hälfte von einem schwimmenden Casino, doch sein erstes Geld hatte Dock mit Prostitution verdient. Und er hatte – ob aus Habgier oder aus Angst, dass seine legalen Geschäfte eines Tages nichts mehr abwerfen könnten, oder weil es ihm einfach Genugtuung verschaffte, wenn er über andere bestimmen konnte – die Finger nicht mehr von den Mädchen und ihren Luden gelassen, die von den zahlreichen Kongressen und Tagungen in New Orleans profitierten und ihm vierzig Prozent abtraten.
Er hatte in die Familie Giacano eingeheiratet, die sich seiner aber bald schämte. Manchmal, sei es in einem Restaurant oder in einem Fahrstuhl, überschlug sich Docks Stimme ohne jeden Anlass, und er kreischte schrill los, so als ob er sich vor Wut kaum beherrschen könnte. Wenn es so weit war, stammelte er nur noch unverständliches Zeug und warf jedem, der ihn besänftigen oder ihm gut zureden wollte, Grobheiten und Obszönitäten an den Kopf.
Er hatte ein Lager und ein Stück Land draußen am alten Highway 190, zwischen Opelousas und Baton Rouge, unmittelbar am Damm und neben den Sumpfwäldern am Ufer des Atchafalaya gelegen. Sein metallic-graues, mit einem Blechdach gedecktes Holzhaus mit der von Fliegengitter umgebenen Veranda war von Palmen und Bananenstauden umgeben, und auf dem Hof und draußen auf der Weide, wo seine Pferde das Wintergras bis auf den blanken Boden abgefressen hatten, wucherten Zwergpalmen. Clete und ich fuhren mit Cletes Kabrio die Stichstraße entlang und hielten vor einem Viehgatter. Das Tor war mit einer um den Pfosten geschlungenen Kette verschlossen.
Ein Mann in Khakihose und einem weißen Hemd mit aufgedruckten Rosen hatte einen Eimer in der Hand und schleuderte Maiskolben in den Hühnerhof. Clete drückte auf die Hupe.
»Was machst du da?«, fragte ich.
»Der ist irre. Den musst du mit irgendwas beschäftigen.«
»Wie war’s, wenn du hier wartest, Clete?«
»Der Typ hat die Syphilis im Hirn. In dessen Haus würd ich eh nur gehn, wenn ich mir vorher Kleenexschachteln über die Schuhe gezogen hab.«
»Er hat das Tourette-Syndrom.«
»Klar, deswegen ist auch die Hälfte seiner Bräute in der Tripperklinik in Behandlung.«
Ich kletterte über den Stacheldrahtzaun neben dem Viehgatter. Dock Green stand reglos da, wie aus
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