Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Rouge kommt. Sie warn gut zu mir. Also stellen Sie sich nicht zwischen mich und einen Mann, der was bald in der Hölle schmort, wo er schon lange hingehört.
Hochachtungsvoll
Aaron Jefferson Crown
»Er gebraucht komische Formulierungen. Zum Beispiel ›hab ich nix zu tun‹ statt ›ich bin unschuldig‹«, sagte ich.
»Vermutlich kann er das Wort nicht schreiben.«
»Nein, ich weiß noch genau, dass er immer gesagt hat: ›Ich bin’s nicht gewesen‹«
»Spar dir die Wortklauberei, Dave. Achte lieber auf den letzten Satz. Ich lasse nicht zu, dass du für Buford LaRose den Kopf hinhältst.«
»Dazu wird es nicht kommen.«
»Ganz recht. Ich werde nämlich ein paar Takte mit unserer Freundin Karyn reden.«
»Mach es nicht noch schwerer, Boots.«
»Sie ist ein großes Mädchen. Die weiß das schon zu nehmen.«
»Wenn der Sheriff mich weghaben will, zieht er mich ab.«
»Schöne Aussichten. Und unterdessen treibt sie mit der ganzen Familie Schindluder.«
Ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bis ich zum Hotel Acadiana am Vermilion River fahren musste, wo Buford und Karyn beim Verband der Bauunternehmer zu Gast waren. Ich saß am Picknicktisch und nahm meinen halbautomatischen 45er US-Army-Colt aus dem Jahr 1911 auseinander, den ich mir für fünfundzwanzig Dollar an der Bring Cash Alley in Saigon gekauft hatte. Er lag kühl und schwer in meiner Hand, und meine Finger hinterließen feine Abdrücke auf dem dünnen Ölfilm über der Brünierung. Ich putzte sie mit der Laufreinigungsbürste, wischte die Pulverrückstände, die noch von meinem letzten Besuch auf dem Schießstand stammten, von Schloss und Schlitten, holte sämtliche Hohlspitzgeschosse aus dem Magazin, ölte die Feder und setzte eins nach dem andern wieder ein, bis das achte passgenau unter meinem Daumen einrastete.
Doch Waffen und die unterschwelligen Fantasien, die mit dem Reinigen einhergingen, waren nur ein schwacher Ersatz für gründliche Gedankenarbeit; in einem derart komplizierten Fall zumal, der hauptsächlich deshalb so schwierig war, weil viele der Beteiligten keine Berufskriminellen waren.
Sabelles Geschichte war keineswegs ungewöhnlich. Bei Tageslicht konnten sich die Wohlhabenden und die Habenichtse in den kleinen Städten des Südens zwar seit jeher, schon vor dem Bürgerkrieg, nicht leiden, doch bei Nacht, wenn sich Lust und Geschlechtstrieb meldeten, wurden die Klassenunterschiede fließend, so leicht sie sich zur Morgenstunde auch feststellen ließen.
Ich habe gesagt, dass es keine außergewöhnliche Geschichte war. Doch das heißt nicht, dass sie nicht trotzdem bezeichnend ist für die Menschen, die wir waren. Ich wusste bloß nicht, ob sie in diesem Fall von Bedeutung war.
Auf der High School in New Iberia hatte er sie gar nicht richtig wahrgenommen. Sie war eine Klasse unter ihm gewesen – ein Mädchen, das eine selbst gemachte Tätowierung auf der Hand hatte, Kleidung aus der Textilabteilung des Ramschwarenladens trug und um das sich allerlei Gerüchte rankten, die zu ungeheuerlich waren, als dass man sie glauben konnte. Sie wurde wegen Ladendiebstahls festgenommen, ging dann in der elften Klasse von der Schule ab und wurde Bedienung in einem Drive-in-Restaurant mit Bowlingbahn am Ende der East Main Street. In dem Sommer, in dem er seinen Abschluss machte, war er nach einem Spiel der American Legion mit drei Mannschaftskameraden in seinem metallicgrünen Ford-Kabriolett zu dem Drive-in gefahren, um Bier zu holen. Er war ungeduscht, sein Gesicht gerötet vom Sieg und vom rosigen Zauber des Abends, seine Kluft voller Grasflecken, und seine Spikes klackten auf dem Kies, als er zum Verkaufsschalter ging und sah, wie sie die Hand um den langen Hals einer Jax-Flasche legte und die Feuchtigkeit abwischte.
Sie beugte sich über den Bierkasten, lächelte und schaute ihm in die Augen, sah das Grinsen um seine Mundwinkel und wusste, dass er später wiederkommen würde.
Er fuhr seine Freunde heim, badete, zog sich um und setzte sich an einen der Holztische unter den immergrünen Eichen, trank Bier und hörte sich die Musik aus der Jukebox an, die aus den an die Äste genagelten Lautsprechern schallte, bis sie um Mitternacht herauskam, in sein Auto stieg, sich herüberbeugte und auf die Hupe drückte, um sich von den anderen Bedienungen zu verabschieden, die kichernd hinter dem Glasfenster an der Durchreiche des Drive-in standen. Er nahm gar nicht wahr, wie dreist und besitzergreifend sie sich verhielt; er grinste sogar gut
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