Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
musste ich auf die Toilette.
»Geh doch rein«, sagte Helen.
»Das möchte ich lieber vermeiden.«
»Willst du mit dem Streifenwagen ein Stück die Straße runterfahren?«
»Das gehört sich nicht.«
»Dann musst du vermutlich reingehn«, sagte sie.
Ich lief zwischen den dicht an dicht stehenden Festgästen im Garten hindurch, an den Zydeco-Musikern auf dem Tieflader vorbei, die gerade mit Akkordeon, Fiedel und elektrischen Gitarren den »Valse Negresse« hinlegten, zu dem ein Mann, der Fingerhüte übergestreift und ein u-förmig gebogenes Waschbrett aus Aluminium umhängen hatte, das sich wie ein weicher Harnisch um seine Brust schmiegte, den Rhythmus schrappte. Das Haus war ebenfalls voller Menschen, sodass ich die Wendeltreppe in den ersten Stock hochgehen musste, ehe ich eine freie Toilette fand.
Jedenfalls dachte ich zunächst, sie wäre frei.
Die Tür stand einen Spalt offen. Dann sah ich einen nackten Männerschenkel, die unter dem Knie hängende Hose und eine goldene Uhr an einem behaarten Handgelenk. Aus Anstand hätte ich ein Stück zurücktreten und an der Treppe warten sollen. Aber ich hatte noch etwas anderes gesehen – eine gläserne Röhre zwischen zwei Fingern, den auf dem Kolben ruhenden Daumen, eine helle Flüssigkeit, die aus der Nadelspitze spritzte.
Ich stieß die Tür auf.
Als Buford die Vene fand, schloss er kurz die Augen und schlug sie wieder auf, bekam dann einen glasigen Blick, öffnete träge den Mund, und ein dumpfer Ton drang aus seiner Kehle, so als sei er kurz vor einem Orgasmus.
Dann hörte er mich.
»Oh ... Dave«, sagte er. Er legte die Spritze auf den Rand des Waschbeckens und schluckte trocken, während sich seine Pupillen zusammenzogen und die Augen stumpf wurden.
»Elender Mist, Buford«, sagte ich.
Er knöpfte seine Hose zu und versuchte seinen Gürtel zu schließen.
»Bockshoden und Vitamine. Nicht das, was Sie denken, Dave«, sagte er.
»Und warum schießen Sie es sich dann in den Schenkel?«
»John Kennedy hat das gemacht.« Er lächelte matt. »Haben Sie vor, dem künftigen Gouverneur in seinen eigenen vier Wänden Handschellen anzulegen?«
»Das bringt nichts. Warum reden Sie darüber nicht mit jemandem, dem Sie vertrauen, bevor Sie verbrennen?«
»Könnte vielleicht ein spannender Brand werden.«
»Ich bin noch keinem Fixer begegnet, der auch nur einen Deut anders war als ein Säufer. Ich rede von mir, Buford. Wir sind alle Klugscheißer.«
»Sie leben zur falschen Zeit. Sie hätten zur Rechten des heiligen Augustinus sitzen sollen. Sie sind wie geschaffen für den Beichtstuhl. Kommen Sie, ein neuer Tag bricht an, Sir, wenn Sie mir nur einen Moment zur Hand gehen könnten.«
Ich half ihm zur Toilette, setzte ihn auf den Deckel und sah dann beinahe wie ein Voyeur zu, wie sein Gesicht wieder Farbe bekam, sein Atem regelmäßiger wurde, wie er die Schultern straffte und belustigt zu mir aufblickte.
»Wir gleiten auf goldenen Schwingen über dem Abgrund«, sagte er. »Die Gäste warten ...«
Ich zertrümmerte seine Spritze in der Kloschüssel.
»Das fällt unter schlechte Manieren«, sagte ich.
Am nächsten Morgen rief mich der Sheriff in aller Frühe in sein Büro.
»Die Polizei in Lafayette möchte, dass wir ihr bei der Überwachung des Hotels Acadiana an der Pinhook Road helfen«, sagte er.
»Geht’s wieder um Buford?«
»Der Kerl hat das Gouverneursamt in eine Dauerfete umgemodelt. Vermutlich haben wir das noch eine Weile am Hals.«
»Ich möchte abgezogen werden, Skipper.«
»Ich möchte mein volles Haar wiederhaben.«
»Er ist ein Fixer.«
»Wollen Sie damit sagen, dass wir grade einen Junkie gewählt haben?«
Ich berichtete ihm, was in der Nacht zuvor passiert war. Er stieß den Atem aus.
»Sind Sie sicher, dass er kein Diabetiker oder so was Ähnliches ist?«, fragte er.
»Ich glaube, es war Speed.«
»Aber festnehmen wollten Sie ihn nicht?«
»Jemanden ohne Durchsuchungs- oder Haftbefehl in seiner eigenen Toilette hopsnehmen?«
Er rieb sich die Schläfe.
»Ich sag’s nur ungern, aber ich bin nach wie vor froh, dass er gewonnen hat und nicht einer der anderen Schwachköpfe«, sagte er. Er wartete einen Moment. »Kein Kommentar?«
»Er bringt uns nichts Gutes. Wir werden dafür nach Strich und Faden büßen.«
»Herrgott, Sie können einem wirklich ein echter Trost sein.«
Ich holte meine Morgenpost ab und kam gerade in mein Büro, als das Telefon klingelte. Dock Green musste mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden
Weitere Kostenlose Bücher